Ver­si­che­rer über­neh­men Ri­si­ken der Ge­sell­schaft

27. Mai 2021

Risikomanagement

Die Versicherungsbranche spielt – entsprechend ihrer gesamtwirtschaftlichen Bedeutung – bei der Förderung wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle.

In erster Linie unterzeichnet die Versicherungsbranche Risiken und federt so die finanziellen Folgen von Schadensereignissen ab. Der Schutz von Privat- und Firmenkunden vor Risiken, die sie in ihrer materiellen Existenz gefährden können, ist der Kernauftrag der Schweizer Versicherungsindustrie. Die Versicherungsbranche ist somit ein wichtiger Partner für ihre Privat- und Firmenkunden. Einerseits bietet sie Schutz vor Klimarisiken – zum Beispiel bei Überschwemmungen oder Dürren. Andererseits gehen einzelne Versicherer dazu Geschäftsbeziehungen mit Firmen ein, deren Geschäftsaktivitäten von Teilen der Gesellschaft kontrovers beurteilt werden.

Traditionellerweise unterstützen Versicherer ihre Kunden auch bei der Risikovermeidung. Im Interesse beider Partner unterstützen Versicherer ihre Kunden dabei, sich vor möglichen Schadenereignissen besser zu schützen.

Versicherungen gehören zudem zu den grössten Investoren. In dieser Funktion können sie einen wichtigen Beitrag leisten, damit Finanzflüsse nachhaltiger gestaltet werden.

Versicherungen können in der Wahrnehmung dieser Funktionen einen wesentlichen Part zur Lösung von Nachhaltigkeitsproblemen übernehmen. Dabei ist die Erweiterung des Risikomanagements der Versicherungen für einen angemessenen Umgang mit Nachhaltigkeitsthemen von zentraler Bedeutung. Der Klimawandel und andere Nachhaltigkeitsrisiken können zu wesentlichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Schäden führen. Die Bedeutung des verantwortungsbewussten Handelns der Unternehmen gegenüber der Gesellschaft hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Von Firmen wird heute erwartet, dass sie auch für die unbeabsichtigten negativen Wirkungen ihrer Geschäftstätigkeit Verantwortung übernehmen.

Daraus resultieren für Versicherungen sowie für Unternehmen aus anderen Branchen zwei Arten von Nachhaltigkeitsrisiken: zum einen die Risiken, die aus den Nachhaltigkeitsproblemen für die Versicherungsindustrie selbst resultieren. Hier stehen Schadenszahlungen im Vordergrund, zunehmend aber auch Investitions-, Reputations- und Haftungsrisiken. Zum anderen die Risiken, die für die von Nachhaltigkeitswirkungen betroffenen Parteien entstehen. Dabei handelt es sich um Risiken, die aus Nachhaltigkeitsproblemen resultieren, wie z. B. aus den sich verändernden klimatischen Bedingungen oder aus der Verschmutzung der Umwelt.

Regulatorische Entwicklungen

Die regulatorischen Entwicklungen im Management von Nachhaltigkeitsrisiken stellen neue Anforderungen an das Risikomanagement der Versicherungen:

  • Im Juni 2020 hat der Bund die Leitlinien zur Nachhaltigkeit des Finanzsektors verabschiedet.  Ziel ist es, die Schweiz zu einem führenden Standort für nachhaltige Finanzdienstleistungen zu machen. Dazu will der Bundesrat die Rahmenbedingungen so gestalten, dass die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes verbessert wird und der Finanzsektor gleichzeitig einen effektiven Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten kann. Der SVV begrüsst diese sich an marktwirtschaftlichen Grundsätzen orientierenden Leitlinien.
     
  • Im November 2020 hat die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma Vorschläge präsentiert, wie die Offenlegungsregeln für grössere Versicherungen und Banken erweitert werden können, um künftig vermehrt auch Klimarisiken zu berücksichtigen. Diese Massnahme fördert die Vergleichbarkeit zwischen den Unternehmen und hat zum Ziel, dass sie sich angemessen mit diesen Risiken auseinandersetzen.
     
  • Im Dezember 2020 hat der Bundesrat im Rahmen seiner Strategie zur Stärkung des nachhaltigen Finanzstandorts Schweiz den Unternehmen nahegelegt, eine Berichterstattung gemäss den Empfehlungen der Task Force on Climate-related Disclosures (TCFD) zu publizieren. Zudem hat der Bundesrat die Finanzinstitute darum gebeten, im Rahmen ihrer rechtlichen Treue- und Sorgfaltspflichten publik zu machen, wie sie Klima- und Umweltrisiken bei der Vermögensverwaltung berücksichtigen. Darüber hinaus hat der Bundesrat die zuständigen Behörden gebeten, eine rechtliche Grundlage für die verbindliche Umsetzung der TCFD durch Unternehmen in allen Branchen zu erarbeiten. Diese Massnahme wird vom SVV begrüsst. Für den Finanzsektor sind solche Informationen zwingend notwendig, um die Marktrisiken und Investitionschancen überhaupt einschätzen zu können.

In den vergangenen Jahrzehnten stellten Nachhaltigkeitsrisiken aus Sicht der Finanzindustrie primär Reputationsrisiken dar. In erster Linie galt es zu vermeiden, für Geschäftsbeziehungen mit kontroversen Sektoren beziehungsweise für Investitionen in solche kritisiert zu werden. In der jüngeren Vergangenheit haben Akteure wie die OECD und einzelne nationale Regulatoren die Erwartungen an die Sorgfaltsprüfung im Bereich Umwelt und Menschenrechte präzisiert. Nachhaltigkeitsthemen stellen heute vermehrt finanzielle Risiken dar (vgl. 4.1). Mit diesen verstärkten Transparenzanforderungen ging auch eine intensivere Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Schweizer Versicherungen einher. Diese fand sowohl innerhalb des SVV wie auch innerhalb der Arbeitsgruppen des Branchenverbands Swiss Sustainable Finance sowie der Netzwerke der Unep Finance Initiative statt. Mehrere Schweizer Versicherer sind bereits Unterzeichner der Principles for Sustainable Insurance (PSI) und der Principles for Responsible Investment (PRI).

Während sich die Versicherungsindustrie bisher stark im Anlagegeschäft mit Nachhaltigkeitsrisiken auseinandergesetzt hat, verlagert sich die Aufmerksamkeit zunehmend auf das eigentliche Versicherungsgeschäft – das Underwriting. Hier sind die Beziehungen zu den Kundinnen und Kunden und dementsprechend die Lösungen komplexer. Diese Ausgangslage erfordert eine klare Positionierung, eine systematische Erweiterung der Risiko-Frameworks und eine konsequente Umsetzung im Tagesgeschäft. Versicherungen schätzen deshalb zuerst die Relevanz der unterschiedlichen Nachhaltigkeitsrisiken ein. Eine nachfolgende Priorisierung erlaubt die Einführung von Prüf- und Entscheidungsprozessen für die einzelnen Geschäftsbereiche.