Der Nach­hal­tig­keit ver­pflich­tet

27. Mai 2021

(GRI 102-16)

Versicherungen verfügen über einen langfristigen Handlungshorizont. Die Bedürfnisse der Gegenwart zu befriedigen, ohne dabei die Möglichkeiten künftiger Generationen zu beeinträchtigen – das ist die Definition von Nachhaltigkeit und gleichzeitig eines der Kernanliegen der Versicherungswirtschaft. Dies gilt in Bezug auf die Stabilisierung und Weiterentwicklung der Altersvorsorge, die Gestaltung der sich rasch wandelnden Arbeitswelt sowie bezüglich des Klimawandels und der Erhaltung der Biodiversität.  All diese Themen sind von Bedeutung, damit auch die junge Generation in den Genuss einer sicheren Rente kommt, damit die Arbeitnehmenden in Zukunft attraktive Arbeitsstellen haben und die Wirtschaft richtig ausgebildete Fachleute hat – und damit letztlich unsere Lebensgrundlage erhalten bleibt und die Widerstandsfähigkeit des Ökosystems gegen schädigende Einflüsse erhöht werden kann. Trotz der alles dominierenden Coronapandemie hat sich der SVV im vergangenen Jahr in Bezug auf die drei strategischen Schwerpunkte intensiv für eine nachhaltige Zukunft eingesetzt.

Die schweizerische Altersvorsorge galt dank ihrem Drei-Säulen-System im internationalen Vergleich jahrzehntelang als vorbildlich. Seit einigen Jahren fällt unser Land in den einschlägigen Rankings allerdings immer weiter zurück. Grund dafür ist insbesondere die fehlende Nachhaltigkeit des Systems. Diverse Vorstösse und Initiativen zur Reform der AHV und der beruflichen Vorsorge sorgten im vergangenen Jahr für regen politischen Betrieb. Dabei brachte sich auch der SVV mit konstruktiven Lösungsvorschlägen in die laufende politische Diskussion zur Reform der Altersvorsorge ein.

Seitens nationaler und internationaler Regulierungsbehörden war die Nachhaltigkeit ebenfalls ein wichtiges Thema. So hat das Schweizer Parlament unter anderem die Revision des CO2-Gesetzes verabschiedet. Diese tritt in Kraft, wenn die Stimmbevölkerung der Revision am 13. Juni 2021 zustimmt. Zudem beschäftigte sich die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma vermehrt mit der Integration und Transparenz zu klimabedingten Risiken in den Büchern der Versicherer. So wird zum Beispiel die Einführung der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) und der EU-Taxonomie in der EU die Versicherungen in der Schweiz in den nächsten Jahren beschäftigen.

Die Schweizer Privatversicherer sind wichtige Arbeitgeber, Steuerzahler und Investoren im In- und Ausland. Sie übernehmen Risiken, die Geschäfts- und Privatkunden nicht tragen wollen oder können.
Dadurch ermöglichen die Versicherungen ihren Kundinnen und Kunden, ihre Ressourcen zukunftsgerichtet und zum Wohle von Wirtschaft und Gesellschaft einzusetzen. In der Schweiz erwirtschaftet die gesamte Versicherungsbranche eine Bruttowertschöpfung von rund 32 Milliarden Franken. Mit fast 5 Prozent erbringt sie einen wesentlichen Anteil der volkswirtschaftlichen Leistung des Landes und sorgt für Stabilität und Widerstandskraft von Wirtschaft und Gesellschaft. Auch in Zeiten von Corona. Pandemiebedingt leisteten die Erstversicherer im vergangenen Jahr über eine 1 Milliarde Franken Schadenzahlungen. Zudem haben die in der Schweiz ansässigen Rückversicherer im Jahr 2020 für pandemiebedingte Schäden weltweit über 4 Milliarden Franken reserviert oder bezahlt. Die Branche kam auch ihren anderen Verpflichtungen unverändert nach. Sie zahlte täglich im Durchschnitt rund 140 Millionen Franken in Form von Renten und Schadenzahlungen. Zudem griff sie vielen ihrer KMU-Kunden in vielfältiger Weise rasch, gezielt und unbürokratisch unter die Arme.

Die Pandemie hat die Grenzen der Versicherbarkeit aufgezeigt. Aus diesem Grund hat die Versicherungswirtschaft in enger Partnerschaft mit dem Bund mögliche Lösungen für eine künftige Pandemieversicherung auf Basis einer Public Private Partnership erarbeitet. Bedauerlicherweise entschied der Bundesrat, das Konzept einer Pandemieversicherung vorerst nicht weiterzuverfolgen. Damit will er auch künftig am heutigen Modell der Härtefallregelung und an der Schuldentilgung durch die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler festhalten. Dies ist aus Sicht der Versicherungswirtschaft kein nachhaltiger Ansatz zur Problembewältigung.

Die Versicherungswirtschaft nimmt als stützende und treibende Kraft der Schweizer Volkswirtschaft ihre volkswirtschaftliche Verantwortung auch in Sachen Nachhaltigkeit wahr. Dies tut sie unter anderem mit einem klaren Bekenntnis zur Nachhaltigkeit und ihrer schrittweisen Umsetzung im Versicherungsgeschäft. So haben sich die Mitgliedunternehmen des SVV schon 2016 für die Unterstützung des Pariser Abkommens ausgesprochen und ihre Unterstützung gegenüber den damit verbundenen CO2-Reduktionszielen des Bundesrats kundgetan. Mit Kapitalanlagen in der Höhe von 545 Milliarden Franken (ohne anteilgebundene Lebensversicherungen) können die Privatversicherer potenziell einen wichtigen Beitrag zur Förderung einer nachhaltigeren Umwelt leisten – sei dies im Bereich des Klimas oder bezüglich sozialer und gesellschaftlicher Bestrebungen.

Alle diese Entwicklungen bestätigen den SVV in seinem Vorhaben, sich weiterhin intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen.

Nachhaltigkeitsstrategie des Branchenverbandes

Die Umfeldanalyse (GRI 102-46), die als Grundlage für die Verbandsstrategie 2020–2024 diente, zeigt auf, dass viele externe Einflussfaktoren die Versicherungswirtschaft herausfordern. Die schnell fortschreitende Digitalisierung beeinflusst die Kundenbedürfnisse und sorgt für neue Möglichkeiten bei der Gestaltung von Produkten sowie bei der Preisgestaltung. Der stetige demografische Wandel der Gesellschaft führt zu grossen Herausforderungen im Gesundheitssystem und bei der Altersvorsorge.

Der Klimawandel führt zu erhöhten physischen Risiken in der Elementarversicherung, aber auch zu Transitionsrisiken in den Anlageportfolios, die im Zusammenhang mit der Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft entstehen. Neue Kommunikationskanäle verändern die Art, wie die Versicherungen mit ihren Kundinnen und Kunden kommunizieren.

Dabei muss das Rollenverständnis zwischen Wirtschaft und Staat immer wieder neu ausgehandelt werden, was zuletzt auch im  Zusammenhang  mit der Coronapandemie wieder sehr deutlich wurde. Veränderungen in der internationalen Gesetzgebung beeinflussen auch die Gesetzgebung in der Schweiz. Die anhaltende Phase mit extrem tiefen Zinsen ist eine grosse Herausforderung für die gesamte Anlagepolitik. Zudem hat der technologische Wandel auch einen Einfluss auf die künftige Arbeitswelt. In Zukunft werden neue Fähigkeiten verlangt.

Basierend auf der genannten Umfeldanalyse wurden in der Strategie sechs strategische Stossrichtungen definiert. Drei dieser Ziele legen einen klaren Fokus auf das Thema Nachhaltigkeit in einem umfassenden Sinn:

  • Vorsorge weiterentwickeln
  • Nachhaltigkeit verankern, Innovation ermöglichen
  • Arbeitgeberpolitik und Berufswelt prägen

Diese drei Dimensionen verankern wesentliche Faktoren, die für die Entwicklung der Versicherungsindustrie wichtig sind – sei dies auf dem Weg zu einer gesicherten Altersvorsorge, in eine neue Arbeitswelt oder im Kampf gegen den Klimawandel sowie für den Erhalt der Biodiversität.

Eine gut funktionierende Altersvorsorge ist ein zentraler Faktor für den Wohlstand eines Landes (GRI 103-1). Aufgrund der Veränderung der Altersstruktur in der Schweiz gerät das bisherige Vorsorgesystem an seine Grenzen. Es muss deshalb grundlegend revidiert werden. Die Versicherungen sind ein wesentlicher Partner in diesem Prozess, da sie mit der beruflichen Vorsorge und zum Teil auch der 3. Säule für einen massgeblichen Teil des Vorsorgesystems verantwortlich sind. Das Vorsorgesystem muss so überarbeitet werden, dass auch die junge Generation Aussicht auf eine faire Rente hat. Eine Umverteilung in der zweiten Säule von der jungen Generation hin zu den Rentnerinnen und Rentnern muss minimiert werden.

Die rasant voranschreitende Digitalisierung (GRI 103-1) verlangt in Zukunft andere Fähigkeiten und Kompetenzen als bisher. Das gilt auch für die Lernenden und Trainees, die in der Versicherungswirtschaft tätig sind.  Um als Arbeitgeberin weiterhin attraktiv und den künftigen Aufgaben gewachsen zu sein, muss sich die Branche intensiv auf diese Entwicklungen vorbereiten.

Die Auswirkungen des Klimawandels und der Verlust der Biodiversität (GRI 103-1) werden von den Versicherungen als Risiko betrachtet, das grosse Schäden in Gesellschaft und Wirtschaft verursachen kann. Aufgrund ansteigender Temperaturen wird in der Schweiz eine Häufung von Starkniederschlägen sowie eine Zunahme der Trockenheit erwartet. Artenreiche Ökosysteme sind wichtig zur Bekämpfung des Klimawandels, da gesunde Wälder und gut erhaltene Ozeane Kohlenstoffemissionen absorbieren. Eine hohe Biodiversität stellt aber auch sicher, dass die Natur Substanzen produziert, die für menschliche Aktivitäten und das Überleben unerlässlich sind; das Spektrum reicht von Nahrung über Schutzfunktionen bis hin zu Wirkstoffen von Medikamenten.

Aus diesem Grund unterstützt die Versicherungswirtschaft das Ziel des Bundes, bis 2050 die Treibhausgasemissionen auf netto null zu reduzieren (GRI 102-11).  Die Strategie sieht vor, dass für die Bereiche Produkte, Underwriting, Schaden und Kapitalanlagen Standards erarbeitet werden, um die Treibhausgasreduktion voranzutreiben. Um die Folgen der Klimaerwärmung zu mindern, wird der SVV den Bund und die Kantone auch in Zukunft bei der Prävention von Elementarschäden unterstützen.

Darüber hinaus hat sich der SVV in seiner Strategie dazu verpflichtet, regelmässig und transparent über die Umsetzung seiner Nachhaltigkeitsbemühungen zu berichten (GRI 102-19, GRI 102-20). Der Nachhaltigkeitsreport des SVV, der 2020 zum ersten Mal erstellt wurde, wird künftig jedes Jahr (GRI 102-52) erscheinen. Um die Themen im Bereich der Nachhaltigkeit schneller voranzubringen, hat der SVV im vergangenen Jahr zudem die Kommission Nachhaltigkeit ins Leben gerufen. Diese übernimmt auf Verbandsebene die Verantwortung, spezifische Nachhaltigkeitsthemen weiterzubringen und die erforderliche Transparenz zu schaffen.

Stakeholderdialog

Die Schweizer Versicherungswirtschaft versteht ihren Nachhaltigkeitsreport als wichtiges Instrument für einen kontinuierlichen und systematischen Dialog mit ihren Anspruchsgruppen (GRI 102-42). Durch eine Erhöhung der Transparenz sollen die Aktivitäten im Bereich der Nachhaltigkeit für interne und externe Stakeholder nachvollziehbar und bewertbar werden. Im Zuge dieses Prozesses wurden Organisationen, Personen oder Gruppen identifiziert, die mit der Branche in Kontakt stehen, Einfluss auf die Versicherungswirtschaft haben und/oder Berührungspunkte mit deren Aktivitäten haben. Zu den wichtigsten Anspruchsgruppen zählen Mitgliedgesellschaften, Kundinnen und Kunden, Nichtregierungsorganisationen, Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft, die Finanzmarktaufsicht, Behörden, Politik, Medien und Verbände sowie institutionelle Investoren und Kapitalgeber (GRI 102-40). Mit Repräsentanten dieser Interessengruppen wurden im Verlauf des ersten Halbjahres 2021 Stakeholderinterviews geführt (GRI 102-43). Grundlage für diese persönlichen Gespräche bildeten die Nachhaltigkeitsthemen aus der SVV-Strategie 2020–2024. Basierend auf diesen Erkenntnissen soll der Schwerpunkt der künftigen Handlungen zur Steigerung der Nachhaltigkeit der Branche hergeleitet werden.

Die Einbindung der Stakeholder und die Ergebnisse aus der Auseinandersetzung mit ihren Interessen und Informationsbedürfnissen werden im nächsten Nachhaltigkeitsreport dargelegt (GRI 102-44).