Ka­pi­tal­an­la­gen

27. Mai 2021

Verankerung der Nachhaltigkeit in den Versicherungsgesellschaften

Mit der Ausrichtung ihrer Kapitalflüsse in nachhaltige Anlagen können die Versicherer ihre Verantwortung als relevante Akteure im Finanzwesen im Bereich der Nachhaltigkeit direkt umsetzen und wahrnehmen (GRI 103-1). Die Verantwortung ist breit gefasst: Sie kommt zum Beispiel zum Tragen, wenn es darum geht, Risiken richtig einzuschätzen und Verpflichtungen gegenüber Kundinnen und Kunden zu erfüllen, oder auch beim Ziel, nachhaltig positiven Einfluss auf die Umwelt zu nehmen. Verschiedene Versicherungsgruppen haben deshalb schon vor einigen Jahren damit begonnen, ihre Kapitalanlagen unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien zu steuern oder ihre Portfolios entsprechend umzuschichten. In einigen Bereichen wie beispielsweise bei den Immobilien legen Versicherer bereits seit längerem Wert auf die spezifische Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten.

Die teilnehmenden Gesellschaften haben sich im Herbst 2018 dazu bekannt, ESG-Kriterien für die Steuerung ihrer eigenen Kapitalanlagen zu berücksichtigen (GRI 103-2). ESG steht für «Environmental», «Social» und «Governance», womit die Verantwortung der Unternehmen gegenüber der Umwelt, sozialen Fragen und der Unternehmensführung gemeint ist. Eine einheitliche Datenerfassung über die Steuerung der Kapitalflüsse der Gesellschaften wird insofern erschwert, als dass in diesem Bereich noch keine international etablierten Standards und Normen existieren. Bei der Erarbeitung des vorliegenden Nachhaltigkeitsreports hat sich der SVV deshalb auf die im Markt gebräuchlichen Kriterien und Strategien im Bereich der nachhaltigen Geldanlagen gestützt.

Die Erhebung zeigt, dass die teilnehmenden Versicherer ihr Kapital grossmehrheitlich unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien und -strategien investieren (GRI 103-3). Weitere kleinere und mittlere Versicherungsunternehmen, die für 2020 noch keinen Ausweis abgeben konnten, sind im Begriff, ihre strategische Positionierung und Ausrichtung hinsichtlich des verantwortlichen Anlegens zu überprüfen. Dabei unterstützt der SVV den thematischen Wissenstransfer innerhalb seiner Mitgliedgesellschaften.

An der Erhebung des SVV haben 38 Gesellschaften teilgenommen – darunter insbesondere alle grossen und mittleren. 33 Gesellschaften gaben an, unterschiedliche Nachhaltigkeitskriterien und -strategien in ihren Kapitalanlagen anzuwenden. Darüber hinaus haben die meisten von ihnen interne Leitlinien implementiert. Diese umfassen etwa Bestimmungen über die Investition in nachhaltige Kapitalanlagen, über den Ausschluss von Kapitalanlagen und hinsichtlich der Ausübung des Stimmrechts wie auch des Engagements.3

 


3 Engagement bezieht sich auf einen aktiven Dialog zwischen Kapitalanlageneigentümern und Geschäftsleitungen von Beteiligungsunternehmen oder anderen relevanten Stakeholdern. Der Fokus des Engagements liegt dabei auf der Integration und Anwendung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien innerhalb ihres Einflussbereichs. Dabei geht es u. a. darum, dass die Eigentümer Einfluss auf die Unternehmen nehmen, in die sie investieren. Untersuchungen zeigen, dass dies oftmals mehr als der reine Verzicht, in bestimmte Branchen zu investieren, bewirkt.
Quelle: «Nachhaltiges Asset Management: Kernbotschaften und Empfehlungen – SFAMA und SSF»

Integration von ESG-Kriterien

(GRI 103-3)

32 der 38 der Gesellschaften, die an der Umfrage teilnahmen, bezogen in ihre Anlageentscheide im Berichtsjahr 2020 ESG-Kriterien mit ein. Dies entspricht einer Zunahme von sieben Gesellschaften gegenüber dem Vorjahr. Auf Grundlage dieser Kriterien analysieren die Gesellschaften, ob und in welchem Umfang ein Investitionsentscheid gefällt werden soll. Zudem dienen ihnen die ESG-Kriterien auch für weitere Schritte innerhalb des Investitionsprozesses (z. B. im Bereich des Risk Monitorings sowie bei allfälligen Desinvestitionsentscheidungen).

Bei der ökologischen Verantwortung (Environmental) stehen bei 31 von 32 Gesellschaften, welche die ESG-Kriterien anwenden, die Themen Klima/Klimawandel und (erneuerbare) Energien im Zentrum. Ein weiterer Schwerpunkt der Versicherer liegt bei Investitionen zur Vermeidung von Umweltkatastrophen sowie im Wassermanagement. Einige Gesellschaften haben sich zudem dazu verpflichtet, ihre Bilanz bis 2050 vollständig zu dekarbonisieren.

Die soziale Verantwortung (Social) nimmt in den im Jahr 2020 im Anlagemanagement angewandten ESG-Kriterien ebenfalls ein starkes Gewicht ein. Sämtliche der 32 Gesellschaften haben dieses Kriterium bei sich verankert. Besonders im Vordergrund stehen dabei Menschenrechtsfragen. Weitere Schwerpunktthemen sind Arbeitsrechte, Gesundheit, Ausbildung und Nahrungssicherheit (in dieser Reihenfolge).

Die Versicherer, die bei den Anlageentscheidungen ökologische und soziale Kriterien befolgen, berücksichtigen auch Governance-Kriterien. Hierbei wird gleichermassen auf die Unternehmensführung sowie auf die Diversität innerhalb des Unternehmens geachtet.

Die rapportierenden Gesellschaften verwalten 80 Prozent der Kapitalanlagen der Privatassekuranz. Bei 83 Prozent dieser selbstverwalteten Kapitalanlagen werden ESG-Kriterien im Investitionsprozess berücksichtigt. In den nachstehend aufgeführten Anlagekategorien konnten folgende Werte erzielt werden, bei denen mindestens einer der nachfolgenden Nachhaltigkeitsansätze angewandt wurde:

  • Immobilien (96 % des Anlagevolumens der teilnehmenden Gesellschaften)
  • Festverzinsliche Wertpapiere (97 %)
  • Aktien (82 %)
  • Alternative Anlagen (86 %)4
  • Hypotheken (40 %)

In diesem Zusammenhang wurde erstmals ermittelt, welche Ansätze für nachhaltige Geldanlagen (Integration, Exclusions, Best in Class, Voting, Sustainable Thematic & Impact Investment) in den verschiedenen Anlageklassen angewendet wurden.

 

Dabei konnten im Allgemeinen folgende Erkenntnisse gewonnen werden:

  • Die explizite Einbeziehung von ESG-Risiken und -Chancen (Integration) ist für die Gesellschaften in den Bereichen Immobilien, festverzinsliche Wertpapiere, Aktien sowie alternative Anlagen relevant.
  • Exclusions spielen insbesondere in den Anlageklassen festverzinsliche Wertpapiere, Aktien und alternative Anlagen eine wichtige Rolle. Unter Exclusion wird der Ausschluss von Investitionen verstanden, die gewisse Normen und Werte nicht erfüllen. Dies kann der Fall sein, wenn eine bestimmte Industrie vordefinierte Schwellenwerte überschreitet (z. B. Kohle).
  • Der «Best-in-Class»-Ansatz ist bei den Gesellschaften weniger stark verankert. Bei den festverzinslichen Wertpapieren sowie bei den Aktiengeschäften ist dieser Ansatz für je ein Drittel der Gesellschaften von Relevanz.
  • Die Ausübung des Stimmrechts im Einklang mit den ESG-Richtlinien (Voting) stellt für viele Gesellschaften (26 von 32) in der Anlageklasse Aktien einen zentralen Ansatz dar.
  • Impact Investing und Sustainable Thematic spielen für mehr als die Hälfte der Gesellschaften in den Bereichen Immobilien, festverzinsliche Wertpapier und alternative Anlangen eine relevante Rolle.

Ebenfalls erstmals untersucht wurde, inwiefern die Gesellschaften die Abstimmungsrechte ihrer selbstverwalteten Aktien wahrgenommen haben. Dabei zeigte sich, dass im vergangenen Jahr 22 Gesellschaften ihr Stimmrecht bei rund 72 Prozent ihrer selbstverwalteten Aktien ausgeübt haben.

 


4 Aufgrund der Komplexität dieser Anlagen (Hedgefonds o. ä.) ist es schwierig, die Nachhaltigkeit in jedem Fonds eindeutig zu belegen.

Impact Investment und thematische Anlagen

Mittels Impact Investing wollen die Gesellschaften einen positiven und direkt messbaren Einfluss auf die Umwelt nehmen – dies zum Beispiel bezüglich des Klimaschutzes oder im sozialen Bereich. Gemäss der Umfrage spielt das Impact Investing in den Anlagekategorien Immobilien, festverzinsliche Wertpapiere sowie alternative Anlagen für die Hälfte der Gesellschaften, die nachhaltig investieren, eine wichtige Rolle (GRI 103-2).

Mit der Investition in eine nachhaltige Infrastruktur streben die Versicherungen einen Beitrag in den Umbau der Energieversorgung oder des Gebäudeparks hin zu einer nachhaltigen und kohlenstoffarmen Zukunft an. Bei den thematischen Anlagen sind vor allem nachhaltige Infrastrukturen (erneuerbare Energien, zertifizierte «Green Buildings», soziale Infrastrukturen etc.) von Bedeutung. Nachhaltigkeitsbonds haben je nach Ausgestaltung einen sozialen (Social Bonds), ökologischen (Green Bonds) oder kombinierten (Sustainability Bonds) Schwerpunkt. Solche Nachhaltigkeitsbonds machen für viele der Gesellschaften einen wichtigen Bestandteil ihrer Anlagen aus (GRI 103-3).

Zusätzlich gilt es anzumerken, dass die aufsichtsrechtlichen Vorgaben für die Kapitalanlagen der Versicherer äusserst restriktiv sind. Dies gilt besonders für Investitionen in Infrastrukturen (GRI 103-2). So können zum Beispiel direkte Investitionen in Anlagen, die erneuerbare Energie erzeugen, nicht dem gebundenen Vermögen angerechnet werden. Dies hat zur Folge, dass viele Versicherer bezüglich der alternativen Anlagen stark eingeschränkt sind, Obwohl die Branche grundsätzlich sehr an langfristigen und nachhaltigen Anlagen interessiert wäre.

Ausschlusskriterien

Bei der Berücksichtigung von ESG-Kriterien im Anlageprozess sind auch Ausschlusskriterien möglich: Wird ein vordefiniertes Kriterium nicht  erfüllt, so wird entweder nicht investiert oder eine bereits getätigte Investition verkauft (GRI 103-2).

24 Gesellschaften schliessen Investitionen in Unternehmen, die Einnahmen aus dem Abbau von thermischer Kohle erzielen oder die einen definierten Kohleanteil zur Stromerzeugung (z. B. 30 %) einsetzen, exemplarisch aus (GRI 103-3). Damit stellt Kohle ein stark verbreitetes Ausschlusskriterium für viele der teilnehmenden Gesellschaften dar. Als stärkstes Ausschlusskriterium fungiert «Controversial Weapons», also Investitionen in umstrittene Waffen (28 Gesellschaften).

Berichterstattung

(GRI 103-2, GRI 103-3)

Jene der Gesellschaften, die bei ihren Kapitalanlagen nach ESG-Kriterien vorgehen, informierten in ihren Geschäftsberichten 2020 explizit über ihre Aktivitäten und Anstrengungen im Bereich der Nachhaltigkeit. Viele der teilnehmenden Gesellschaften gaben zudem an, ihre bisherige Berichterstattung zu diesem Thema weiter ausbauen zu wollen. Grössere Versicherer haben in den vergangenen Jahren bereits einen separaten Nachhaltigkeitsbericht publiziert, andere wollen das in Zukunft tun. In der Regel sind diese Berichte auf den Websites der Gesellschaften abrufbar. Darüber hinaus verpflichten sich alle jene Gesellschaften, die Mitglied der Principles for Responsible Investment (PRI) sind, zur Transparenz über ihren Nachhaltigkeitsansatz. Die entsprechenden Berichte sind auf der Website von PRI abrufbar.