Der Stel­len­wert der Di­gi­ta­li­sie­rung – die Sicht des Ver­si­che­rers

KontextArchive09. Oktober 2017

Für besondere Fortschritte in der Digitalisierung hat die Axa Winterthur den silbernen Digital Transformation Award an den Best-of-Swiss-Web Awards 2017 gewonnen. CIO Andreas Maier erklärt im Interview, welchen Stellenwert die Digitalisierung im Unternehmen hat.

Herr Maier, die Digitalisierung stellt die Versicherungsbranche vor grosse Herausforderungen. Wie geht die AXA Winterthur damit um?

Die Digitalisierung verändert das Kundenverhalten und damit auch die Versicherungsbranche und unsere Geschäftsmodelle fundamental, darauf müssen wir als Grossunternehmen frühzeitig reagieren. Der lang stabile Versicherungsmarkt ist durch die ganzen Technologien grossen Risiken ausgesetzt. Wenn man als Unternehmen nicht selbst aktiv die veränderten Marktbedingungen mitgestaltet, wird man irrelevant. Wir müssen einfach schneller werden und proaktiv Innovationen auf den Markt bringen. Nur zu reagieren, reicht heutzutage nicht mehr – wenn die Konkurrenz da ist, hat man schon verloren.

Neue Technologien beziehungsweise die Digitalisierung im Allgemeinen bietet Versicherungsunternehmen aber auch die Chance, sich von ihren Konkurrenten zu differenzieren, indem sie zeitgerechte Produkte entwickeln oder Kooperationen mit Start-ups eingehen, die mit neuen technologischen Möglichkeiten oder innovativen Ideen das eigene Geschäftsmodell unterstützen. Durch die Entwicklung von Smart Services* beispielsweise erhalten wir die Möglichkeit, innovative und neue Wege in der Kundeninteraktion zu gehen und dadurch zur Kundenbindung beizutragen.

Wie sieht die Digitalisierungsstrategie der AXA Winterthur konkret aus?

Das Thema Digitalisierung ist in der AXA Winterthur breit abgestützt. Betroffen sind praktisch alle Unternehmensbereiche von der Kundenschnittstelle über Operations bis hin zu HR. Wir digitalisieren unser Kerngeschäft konsequent entlang der gesamten Wertschöpfungskette und fokussieren uns dabei auf zehn Topthemen, die wir transversal im Unternehmen vorantreiben. Darüber hinaus sind wir auch mit der AXA Gruppe sehr gut vernetzt und können als global aufgestellter Konzern länderübergreifend Synergien nutzen, so werden beispielsweise unsere Apps länderübergreifend entwickelt und auch in verschiedenen Einheiten eingesetzt.

Ein weiterer Vorteil eines globalen Konzerns: Wir profitieren von einem globalen Innovations-Ökosystem: So hat die AXA Gruppe mit dem AXA Lab in San Francisco einen Ableger nah am Silicon Valley geschaffen, um vor Ort die neuesten technologischen Trends, Geschäftsmodelle etc. zu evaluieren und potentielle Partner früh zu identifizieren. Von diesem Know-how profitieren alle AXA Ländereinheiten, auch die Schweiz. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben beispielsweise die Möglichkeit, dort zu Forschung- oder Weiterbildungszwecken zu arbeiten.

Mit dem Data Innovation Lab (Paris/ Asien) und dem AXA Tech Advanced Engineering Lab in Lausanne (EPFL Campus) arbeiten wir in der Schweiz ebenfalls auf Projektbasis zusammen und haben hier Zugang zu Spezialisten-Know-how. Bestehende Kooperationen etwa mit Facebook oder Linkedin geben uns zudem die Möglichkeit, uns mit führenden Technologieunternehmen zu vernetzen und so frühzeitig neue Trends zu erkennen.

Welches sind die wichtigsten Elemente der Strategie?

Unsere Kundinnen und Kunden erwarten von uns digitale Erlebnisse über alle Kontaktpunkte hinweg. Um ihnen das bieten zu können, müssen wir uns entlang der gesamten Wertschöpfungskette digitalisieren, und zwar konsequent.

Nach aussen hin sichtbare Ergebnisse unserer Digitalisierungsstrategie: Wir haben in den letzten sechs Monaten gleich drei neue und innovative Apps lanciert. Neben der App-Version unseres Kundenportals «myAXA» haben wir zwei komplett neue Angebote auf den Markt gebracht: Die App «Home Protection» ermöglicht es unseren Kundinnen und Kunden, ihr Zuhause über das Smartphone vor Einbrüchen zu schützen. Mit Hilfe der im November eingeführten App «AXA Sure» können sie ihre wertvollen Gegenstände digital erfassen und verwalten und auch gleich feststellen, ob und wie diese versichert sind. Beide Services wurden zu Testzwecken als Standalone-Lösungen eingeführt, um hier schnell und agil die Kundenakzeptanz zu testen und entsprechende Änderungen beziehungsweise Optimierungen vornehmen zu können. Diejenigen Use Cases, die einem echten Bedürfnis unserer Kundinnen und Kunden entsprechen, werden in den nächsten Monaten in die «myAXA» App integriert.

Welche neuen Technologien nutzen Sie heute schon?

Wir werden im Rahmen der Optimierung unserer Services und Features auch neue Technologien testen, um unseren Kunden einfachere Zugangswege und Services und eine digitale Interaktion mit uns zu ermöglichen. So setzen wir versuchsweise einen Chatbot bei der elektronischen Meldung von Schäden über die App AXA Sure ein, und testen, ob dieser Service einem Bedürfnis unserer Kunden entspricht und wie er in der Praxis ankommt. Falls der Test positiv ausfällt, können wir uns vorstellen, diese Technologie künftig definitiv einzusetzen oder gar auf weitere Services auszuweiten. Ebenfalls testen wir den möglichen Einsatz der Sprachsteuerung «Alexa» in unserer App Home Protection.

Wie pushen Sie das Thema Innovation bei der AXA Winterthur?

Bei der AXA Winterthur wird das Thema Innovation grossgeschrieben und wir erachten es als unsere Aufgabe, einen starken Beitrag zur Förderung des Schweizer Start-up Ökosystems zu leisten, um so den Innovationsplatz Schweiz zu stärken und die Digitalisierung gemeinsam mit anderen Unternehmen voranzutreiben. Neben unserem globalen Innovations-Ökosystem der AXA Gruppe setzen wir bei der AXA Winterthur stark auf Kooperationen mit Start-ups und unterstützen deshalb verschiedene Programme, wie zum Beispiel DigitalSwitzerland, den Kickstart Accelerator oder «Finance2.0», um nur einige wenige zu nennen.

Die AXA Winterthur stärkt ihre Innovationskraft aber auch von innen heraus. So haben wir im September 2015 eine eigene Abteilung «Innovation Management» ins Leben gerufen. Die «AXAnauten» – so nennt sich das Innovationsteam der AXA Winterthur – konzentrieren sich insbesondere darauf, kundenorientierte Innovationen zu entwickeln, die über das Versicherungsgeschäft hinausgehen. Ein wichtiger Faktor ist auch das Thema «Intrapreneurship» – wir ermuntern unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, innovative Ideen einzubringen und haben ein globales Innovationsprogramm, das solche Ideen unterstützt und fördert. Unsere App «AXA Sure» ist beispielsweise so entstanden.

Welche weiteren Faktoren benötigt es für eine erfolgreiche Transformation?

Die Digitalisierung unseres Kerngeschäfts ist einer der wichtigsten strategischen Schwerpunkte in der laufenden Strategieumsetzung bis 2020. Gleich wichtig ist uns jedoch, dass wir agil auf sich ändernde Marktverhältnisse reagieren können – dies fordert ein neues Denken von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wir setzen deshalb seit einiger Zeit bei der Softwareentwicklung und -optimierung neben klassischen Projektorganisationen auf eine agile Arbeitsweise, um so flexibler und beweglicher zu werden, unsere Produkte noch kundennaher zu gestalten und unsere time-to-market zu verkürzen. Ziel der Strategieumsetzung ist es jedoch, nicht nur in der IT agiler zu werden, sondern die Agilität in der AXA Kultur zu verankern. Bis Ende 2017 werden wir mit 25 agilen Produktteams unterwegs sein, mittelfristig werden rund 30 Prozent der Belegschaft agil arbeiten. Wir sind der Überzeugung, dass Agilität heute die Quintessenz für jedes Unternehmen ist.

* bezeichnen eine Kombination physischer und digitaler Mehrwertdienstleistungen