Wie­der­auf­fin­den von Kunst – ei­ne Fra­ge der Ge­duld?

Kontext12. Dezember 2019

The Art Loss Register (ALR) ist die weltweit grösste private Datenbank für gestohlene und verlorene Kunst und Wertgegenstände. Das ALR hilft Diebstahlopfern, Versicherungen und Polizeibehörden bei der Wiederauffindung von Kunstgegenständen. Im Newsletter berichtet das ALR von seinen Erfolgen. 

Newsletter Dezember 2019

Wenn ein Kunstwerk gestohlen wird oder verloren geht, bleibt der Versicherer häufig auf dem Schaden sitzen. Zwei aktuelle Beispiele zeigen aber, dass mit einer guten Registrierung beim Art Loss Register (ALR) und der nötigen Geduld auch Jahrzehnte nach dem Schadensereignis noch Wiederauffindungen zugunsten der Versicherung möglich sind. 

Hubert Robert: Schiffswerften bei Cività Vecchia

Schiffswerften bei Cività Vecchia: ein Bild von Hubert Robert

Schiffswerften bei Cività Vecchia: ein Aquarell von Hubert Robert

1999 fand ein kleines Aquarell von Hubert Robert (1722-1808) den Weg in eine belgische Privatsammlung. Der Sammler konnte sich daran nur knapp fünf Jahre erfreuen – 2004 brachen Diebe eines Nachts in sein Haus und konnten mit dem Werk unerkannt fliehen. Die polizeilichen Ermittlungen blieben erfolglos, das Blatt verschollen. Der Versicherer bezahlte. In der Hoffnung auf eine Wiederauffindung registrierte der Sammler selbst das Werk beim ALR. Er konnte, neben einer guten Abbildung, Künstler, Titel, Medium und Massangaben, noch die Rechnung von 1999 vorweisen. Angaben zur Versicherung machte er 2004 aber nicht.

Zehn Jahre, also Millionen von Objektprüfungen später, entdeckte das ALR das Werk über eine Suchanfrage aus Österreich wieder. Neben der Abbildung konnte es auch anhand der identischen Provenienz im selben Verkauf 1999 klar als Übereinstimmung bestätigt werden. Das ALR kontaktierte umgehend das Diebstahlopfer und fragte auch nach einer möglichen Versicherung. Das Diebstahlopfer bestätigte daraufhin, dass seine Versicherung den Schaden vergütet habe, und informierte diese über die Auffindung. Die Versicherung gab dem ehemaligen Eigentümer die Möglichkeit, von seinem Rückkaufsrecht Gebrauch zu machen. Als dieser sich dagegen entschied, beauftragte sie das ALR mit den Rückführungsverhandlungen.

Jetzt geht ja alles ganz schnell, denken Sie? Nicht immer ist das der Fall. Über drei Jahre verfolgte das ALR hier die Verhandlungen mit dem Besitzer des Werkes, wieder und wieder wurde nachgehakt. Ende 2017 schließlich konnte das ALR dem Versicherer die erfreuliche Nachricht überbringen, dass das Aquarell an sie zurückgegeben wird. In dessen Auftrag arrangierte das ALR dann umgehend, dass das Werk in eine Auktion genommen wurde. Im März 2018 fand es den Weg zurück in den Markt.

Was lange währt, ist endlich gut: 14 Jahre nach dem Diebstahl und 4 Jahre nach der Lokalisierung durch das ALR hat das hübsche Blatt einen glücklichen neuen Eigentümer, der nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen muss. Und die Versicherung konnte ihren Schaden fast vollständig ausgleichen.
 

Václav Brožík: Ein Tag am Strand

Manchmal geht es aber doch am Ende ganz schnell: bei einer Auktionsprüfung Ende 2017 in den USA stiess das ALR auf ein Gemälde des tschechischen Malers Václav Brožík (1851-1901). Die beschauliche Strandszene war über eine Registrierung schon 1984 bei IFAR später ins Art Loss Register aufgenommen worden. 

Václav Brožík: Ein Tag am Strand

Ein Tag am Strand: Gemälde von Václav Brožík

Was war passiert? Nach dem Tod der Eigentümerin stellten deren Erben fest, dass das Gemälde aus deren Wohnung verschollen war. Der Versicherer bezahlte daraufhin den Schaden und meldete den Verlust. Gut 30 Jahre später konnte das ALR in Erfahrung bringen, dass das Gemälde in einer für Müll designierten Ecke des Wohngebäudes deponiert worden war und dort von einer Nachbarin nach Rücksprache mit dem Hauspersonal mitgenommen worden war. Diese hatte es nun in die Auktion gegeben. 

Innerhalb der wenigen Tage vor der geplanten Versteigerung konnte das ALR erreichen, dass alle Parteien der Auktion zustimmten. Über den Erlös sollte danach eine Einigung gefunden werden. Das erwies sich als Glücksfall, denn die Strandszene erzielte in der Versteigerung das Dreifache des unteren Schätzwertes – eine erfreuliche Überraschung für alle Beteiligten. Über einige Monate verhandelte das ALR dann im Auftrag der Versicherung über die Aufteilung des Erlöses – schliesslich konnte vor kurzem eine stattliche Summe an den Versicherer ausbezahlt werden. 

Späte Wiederauffindung – Was braucht es zum Erfolg?

Was braucht es also für eine erfolgreiche Wiederauffindung und einen späten Ausgleich des Versicherungsschadens?
Essentiell ist zunächst, dass das Werk gut dokumentiert ist. Neben Angaben zum Künstler, Titel, Medium und Massen ist eine Abbildung der sicherste Garant für die Wiederauffindung. Kaum einer rechnet ernsthaft mit einem Diebstahl, aber nach dem Verlust sind diese Informationen oft schwer verfügbar. Das ALR empfiehlt daher, die Objektinformationen bereits bei der Zeichnung des Risikos zu dokumentieren. Die Qualität der Abbildung kann laienhaft sein, aber das eigentliche Werk sollte möglichst gut erkennbar sein. 

Um den Anspruch der Versicherung belegen zu können, ist ein säuberlich dokumentiertes Schadensdossier wichtig. Neben den Werkdetails muss es die Informationen zum Schadenereignis und zur Begleichung des Schadens durch die Versicherung enthalten. Da oftmals Kunstwerke erst viele Jahre oder gar Jahrzehnte nach dem Verschwinden den Weg zurück auf den Markt finden, liegt eine möglichst lange Aufbewahrung dieser Unterlagen im grössten Interesse der Versicherung. Ob Jahrzehnte später ein Werk erfolgreich zurückgefordert werden kann, hängt natürlich auch von der rechtlichen Situation im Staat der Wiederauffindung oder gegebenenfalls vorheriger Transaktionen ab. Aber ohne eine Dokumentation des Versicherungsfalles ist die Verhandlungsposition immer geschwächt. Das ALR kann relevante Versicherungsunterlagen zu jedem Zeitpunkt mit der Registrierung aufnehmen und beim ALR archivieren, um Datenverlusten vorzubeugen. Und schliesslich ist eben oft tatsächlich Geduld erforderlich – sowohl bei der Suche nach dem vermissten Werk, als auch manchmal bei den Verhandlungen. Hier vertritt das ALR gerne und regelmässig auch über einen längeren Zeitraum die Interessen der Versicherer.

The Art Loss Register

Alle Mitglieder des Schweizerischen Versicherungsverbandes können kostenlos gestohlene und verlorene Objekte auf der ALR-Datenbank registrieren. Das ALR überprüft jährlich etwa 400’000 Kunstgegenstände auf der Suche nach den vermissten Objekten. Neben 120 Auktionshäusern arbeiten 16 der größten Kunstmessen und eine Vielzahl von Händlern, Sammlern und Museen mit dem ALR, um ihre Objekte prüfen zu lassen. Seit seiner Gründung vor bald 30 Jahren hat das ALR bereits über 2000 gestohlene und verlorene Kunstwerke lokalisiert.

Jedes Jahr prüft das ALR etwa auf der Art Basel die dort angebotenen Kunstwerke – Sie finden das ALR während der gesamten Messedauer am Stand direkt im Eingangsbereich. Amelie Ebbinghaus, Lauren Farrington und ihre Kollegen vom Art Loss Register freuen sich sehr über Ihren Besuch und stehen gerne für Fragen jeder Art zur Verfügung.

Daneben können Sie das Art Loss Register jederzeit direkt kontaktieren:  amelie [dot] ebbinghausatartloss [dot] com /lauren [dot] farringtonatartloss [dot] com