Wett­be­werb bringt in­no­va­ti­ve Pro­duk­te

Kontext

In der Spitalzusatzversicherung entwickeln die Privatversicherer auf die Bedürfnisse der Versicherten abgestimmte Angebote. Eine Umstellung bei der Kostenabrechnung bietet in Zukunft mehr Transparenz.
 

«Konkurrenz belebt das Geschäft und treibt Innovationen voran – sowohl bei Produkten als auch Services», sagt der Leiter Kundenservice und Leistungen der Helsana, Rudolf Bruder. Auch Philomena Colatrella, CEO der CSS, betont: «Die Versicherten haben die Wahl, sich für diejenigen Angebote zu entscheiden, die ihren Bedürfnissen am besten entsprechen. Wichtig ist, dass die Angebote echte Mehrleistungen abbilden.» Während die Krankenpflegeversicherung (OKP) dem Sozialversicherungsrecht untersteht und obligatorisch ist, beruht die Krankenzusatzversicherung auf Freiwilligkeit und untersteht dem Privatrecht. Nebst den Leistungen aus der OKP können die Versicherer mit zusätzlichen Produkten auf die individuellen Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden eingehen. Thomas J. Grichting, Generalsekretär der Groupe Mutuel, sagt: «Jeder Versicherer ist bestrebt, dem Kundenbedürfnis entsprechend Produkte zu entwickeln und diese zu attraktiven Preisen anzubieten.»

Portrait Thomas Grichting

« Es handelt sich um einen Paradigmenwechsel. »

 Dr. Thomas J. Grichting, Generalsekretär der Groupe Mutuel

Mehrjähriger...

Um die Mehrleistungen für die zusatzversicherten Patientinnen und Patienten inskünftig nachvollziehbarer abrechnen zu können, werden Mehrleistungsverträge die heutige Vertragslandschaft mit den Spitälern ablösen. Dies wird die Transparenz der Rechnungen erhöhen. «Damit schaffen wir die Voraussetzungen, um Zusatzversicherungsprodukte für unsere Kundinnen und Kunden auch künftig attraktiv zu halten», sagt Philomena Colatrella. Diese Ablösung ist jedoch ein aufwändiger Prozess, der mehrere Jahre in Anspruch nimmt. «Die CSS hat die Umstellung auf Mehrleistungsverträge konsequent umgesetzt und zu Beginn des Jahres Verträge mit 120 Kliniken gekündigt.» In der Folge muss die CSS alle diese Verträge neu verhandeln. Das braucht Zeit. Denn naturgemäss gehen die Interessen zwischen Krankenzusatzversicherern und Leistungserbringern wie Spitälern bei den Preisen auseinander. «Wir müssen uns über die Inhalte, aber auch über die Preise einigen», sagt Thomas J. Grichting. «Es handelt sich um einen Paradigmenwechsel, der Überführung von einem alten in ein neues Modell», sagt er. Aufgrund der von der Aufsicht geäusserten Erwartungen werde das sicher nicht einfach. Von einer neuen Generation von Verträgen spricht auch Philomena Colatrella. Die Spitäler müssen zum Beispiel künftig genauer und transparenter ausweisen, was zur Grundversicherung und was zur Zusatzversicherung gehört. Mehrleistungen, die über die Grundversicherung hinausgehen, müssen detailliert beschrieben werden.

Portrait Philomena Colatrella

«Die Deckung von Innovationen in der Zusatzversicherung, wie etwa digitale Therapien, ist zu forcieren.»

 Philomena Colatrella, CEO der CSS

… und anspruchsvoller Prozess

Gemäss Rudolf Bruder ist nur schon die Definition und Bewertung von Mehrleistungen aufwändig. «Dabei werden auch höhere Anforderungen an die Dokumentation sowie an den Nachweis erbrachter Mehrleistungen gestellt», sagt er. In der Umsetzung stellt die Abbildung der Mehrleistungen in den Versicherungs- und Spitalsystemen eine weitere Herausforderung dar. Damit verbunden ist die Implementierung völlig neuer Abrechnungs- und Rechnungsstellungsprozesse.

Im Weiteren weist Rudolf Bruder darauf hin, dass in der OKP keine abschliessend definierten Pflichtleistungskataloge existieren würden. Und er fragt: «Wenn aber Pflichtleistungen nicht eindeutig definiert sind, wie legt man dann Mehrleistungen fest, also Leistungen, die über die Pflichtleistungen hinausgehen?» Mit Blick auf die Versicherten stellt Thomas J. Grichting eine weitere Herausforderung fest. «Die Kunden haben bei uns Krankenzusatzdeckungen abgeschlossen, bei denen unsererseits ein umfassendes Leistungsversprechen abgegeben wurde. Diese Leistungen müssen ihnen auch in Zukunft zugänglich sein.» Auch dürfe nicht ausser Acht gelassen werden, dass die Finma ihre Aufsichtstätigkeit gegenüber den Versicherern wahrnimmt. Auf die Leistungserbringer hat sie aber keinen Durchgriff. Thomas J. Grichting sagt: «Es ist daher umso wichtiger, dass sowohl die Aufsichtsbehörde als auch die Versicherer die gleiche Sprache sprechen.»
 
Können Spitäler und Spitalzusatzversicherer in den Vertragsverhandlungen keine Einigung erzielen, droht ein vertragsloser Zustand. Solche Konstellationen sind grundsätzlich nichts Aussergewöhnliches. Rudolf Bruder erläutert, dass der vertragslose Zustand zu einer nicht eindeutigen Regelung der Kostendeckung führen kann. «Im ungünstigsten Fall besteht keine oder zumindest keine volle Kostendeckung durch den Versicherer», sagt er. Dergestalt läuft der Kunde Gefahr, dass ihm das Spital ein Depot für nicht vom Versicherer getragene Kosten auferlegt. Vertragslose Zustände erschweren somit die Aufgabe der Versicherer, die Interessen der Kundinnen und Kunden gegenüber den Leistungserbringern wahrzunehmen.
 

Portrait Rudolf Bruder

« Konkurrenz belebt das Geschäft und treibt Innovationen voran. »

  Rudolf Bruder, Leiter Kundenservice und Leistungen der Helsana

Individuelle Bedürfnisorientierung

Dabei ist es gerade der generelle Mehrwert der Zusatzversicherung, auf die Bedürfnisse der Versicherten einzugehen. «Die Zusatzversicherung bietet den Kundinnen und Kunden die freie Wahl von Arzt und Spital. Sie können jene Versicherungsdeckung bezüglich Leistungen und Komfort wählen, die ihren Bedürfnissen entspricht», sagt Thomas J. Grichting. Sie bietet also einen individuellen Zusatznutzen zur OKP, in der solidarisch für alle die gleichen Leistungen definiert sind. «Eine Zweiklassenmedizin ist hingegen zu vermeiden. Vielmehr ist dafür zu sorgen, dass die Krankenzusatzversicherung der ganzen Bevölkerung kunden- und bedürfnisorientiert offensteht», sagt er. Und auch mit Blick auf die zukünftige medizinische Entwicklung hat die Zusatzversicherung ihre Rolle. Philomena Colatrella: «Die Versicherungsdeckung künftiger Produkte muss mit den sich rasch ändernden Angeboten und Kundenwünschen Schritt halten. Die Deckung von Innovationen in der Zusatzversicherung, wie etwa digitale Therapien, ist zu forcieren.»

Dieser Artikel ist im SVV-Jahresmagazin «View» erschienen.