Selbst­fah­ren­de Au­tos könn­ten ge­hackt wer­den – Ina Ebert im In­ter­view

InterviewArchive16. November 2017

Prof. Dr. Ina Ebert ist Leitende Fachexpertin für Haftpflicht- und Versicherungsrecht bei Munich Re. Sie befasst sich u.a. mit den Herausforderungen von selbst fahrenden Autos. Autonome Fahrzeuge sind vernetzte Fahrzeuge, die zum Beispiel auch vor Hacker-Angriffen geschützt werden müssen. Im Interview zeigt sie auf, welche Fragen aktuell diskutiert werden.

Wird der Fahrer die Kontrolle jemals vollständig dem Fahrzeug überlassen können?

Langfristig wohl schon. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg, der auch eine Anpassung der Infrastruktur voraussetzt. Eine ganz andere Frage ist, ob Fahrer das überhaupt wollen.

Zum einen gibt es nicht wenige Leute, die gegen jede Unfallstatistik nicht autonomes Fahren als sicherer als Fliegen empfinden, weil sie beim Autofahren (vermeintlich) die Kontrolle über die Risiken, denen sie ausgesetzt sind, behalten. Diese Leute dürften sich in einem Auto ohne Lenkrad kaum wohlfühlen. Und dann soll es auch Leute geben, denen Auto fahren jedenfalls in bestimmten Situationen sogar Spass macht…

Noch für lange Zeit dürfte es also vor allem darum gehen, den menschlichen Fahrer durch immer umfassendere Fahrassistenzsysteme zu entlasten, bis hin zur vorübergehenden Kontrollabgabe in bestimmten Situationen.

Erwarten Sie eine Reduktion der Unfälle mit autonomen Fahren?

Viele heute gängige Arten von Unfällen werden bei autonom fahrenden Fahrzeugen nur noch selten vorkommen, etwa Auffahrunfälle oder Einparkschäden.

Die grosse Frage ist, inwieweit dieser Rückgang durch neuartige Unfälle ausgeglichen wird: Der Mischverkehr aus autonomen Fahrzeugen und menschlichen Verkehrsteilnehmern wird vor allem in der Anfangszeit zu Missverständnissen führen. Auch eine gute Software ist in bestimmten Situationen bislang noch nicht so gut wie ein erfahrener, aufmerksamer menschlicher Fahrer. Je komplexer die Technik, die zum Einsatz kommt, desto störanfälliger mag sie zumindest am Anfang noch sein.

Vor allem aber sind autonome Fahrzeuge vernetzte Fahrzeuge. Damit sind sie allen Gefahren ausgesetzt, die sich durch das Internet-der-Dinge ergeben, also insbesondere auch Hacker-Angriffen.

Beim autonomen Fahren stellt sich die Frage, wer haftet bei einem Unfall. Wo steht die Diskussion heute?

Worüber diskutiert wird, hängt stark davon ab, wie die Haftung für Unfälle mit motorisierten Fahrzeugen in der jeweiligen Rechtsordnung generell geregelt ist. Haften Halter von Fahrzeugen verschuldensunabhängig, wie zum Beispiel in der Schweiz oder in Deutschland, ändert sich durch autonomes Fahren für ein Verkehrsopfer wenig: Der Halter haftet, unabhängig davon, ob das Fahrzeug zur Zeit des Unfalls von einem Menschen oder einem Computer gesteuert wurde. Für Schäden muss also weiterhin der Haftpflichtversicherer des Fahrzeughalters aufkommen. Allenfalls können diesem anschliessend Regressansprüche zustehen, etwa gegen den Fahrzeughersteller, wenn der Unfall auf einem Produktfehler beruht. Viele vermuten, dass solche Regressszenarien vor allem in der Anfangszeit des autonomen Fahrens häufiger als bisher vorkommen werden. Daher wird vielfach eine Erleichterung der Regressverfahren gefordert. Zudem wird diskutiert, ob der Halter des autonomen Fahrzeugs, der bei einem Unfall in seinem Fahrzeug verletzt wird, stärker geschützt werden muss, da er ja nicht durch seine Haftpflichtversicherung geschützt wird.

Schwieriger ist es in Rechtsordnungen, die auf einer verschuldensabhängigen Haftung des Fahrers basieren, wie dies in anglo-amerikanischen Ländern häufig der Fall ist. Selbst solange sich in autonom fahrenden Fahrzeugen immer auch ein menschlicher Fahrer befinden muss, wird diesem oft kein Verschulden mehr nachzuweisen sein. In diesen Rechtsordnungen muss daher der Gesetzgeber zum Schutz künftiger Unfallopfer tätig werden und das bestehende Haftungs- und Versicherungsregime anpassen. In Grossbritannien ist dies gerade durch die «Vehicle Technology and Aviation Bill» erfolgt. Auch dort muss bei Schäden durch autonom fahrende Fahrzeuge daher künftig der Autohaftpflichtversicherer die Opfer zunächst entschädigen und kann dann versuchen, Regressansprüche gegen den Autohersteller durchzusetzen.

Zur Person

Prof. Dr. Ina Ebert ist bei der Munich Re Leitende Fachexpertin für Haftpflicht- und Versicherungsrecht. Sie ist zudem Lehrbeauftragte für Recht an der Universität Kiel, Mitglied des Europäischen Zentrums für Schadenersatz- und Versicherungsrecht in Wien und Mitglied des Projektes «Climate Risk and Insurance» der Geneva Association.