Un­wet­ter­som­mer for­dert As­se­ku­ranz

Kontext01. Juni 2022

Der Unwettersommer 2021 führte in der Schweiz zu versicherten Schäden von rund zwei Milliarden Franken. Umfassenden Präventionsmassnahmen ist es zu verdanken, dass die Schadensumme nicht noch viel höher ausgefallen ist.

Hagel, Hochwasser und Sturm: Diese Elementargefahren haben im Sommer 2021 in verschiedenen Regionen grosse Schäden angerichtet. Während in manchen Regionen wie im luzernischen Wolhusen ganze Quartiere durch die Hagelschläge verwüstet wurden, waren andere Gebiete mehr durch Gewässer, die über die Ufer traten, betroffen. Tausende Schadenmeldungen sorgten bei den Schweizer Versicherungen für einen Gesamtschaden von rund zwei Milliarden Franken. Damit bewegt sich die Schadensumme beinahe in einem ähnlichen Bereich wie jene für das Hochwasser im Jahr 2005.

Auch für die Mitglieder des SVV war das vergangene Jahr mit grossen Herausforderungen verbunden. «Das war ein extremer Unwettersommer für uns», betont Roland Saxer, Leiter Leistungscenter Sach bei der Baloise Schweiz. In der Tat: Beinahe im Wochenrhythmus kam es irgendwo im Land zu Starkniederschlägen oder Hagelzügen – und dies mit zum Teil beträchtlichen Schäden.
 

«Nach dem Unwetter ist vor dem Unwetter»

Die Vielzahl der Ereignisse brachten auch die Mitarbeitenden der Baloise an ihre Grenzen. «Besonders im operativen Bereich waren wir sehr stark gefordert», betont Saxer. So waren zum Beispiel die Telefonleitungen während der grossen Unwetter regelmässig überlastet. Kein Wunder: Wenn es irgendwo zu einem Ereignis kommt, laufen auch bei der Baloise die Drähte heiss. Kunden, Broker, Vertriebspartner – alle Betroffenen wollen so schnell wie möglich bedient werden. «Bei grösseren Ereignissen konnten wir zirka 80 Prozent unserer Anrufe entgegennehmen, an Spitzentagen waren es auch mal nur 50 Prozent.» Das sei sowohl für die Kunden als auch für die Versicherung ein unbefriedigender Wert. Um den Telefondienst in Spitzenzeiten zu entlasten, verfügt die Baloise über zusätzliche Kräfte, die spontan eingesetzt werden können. «Mit externen Mitarbeitenden sind wir jedoch zurückhaltend. Diese sind nur begrenzt in der Lage, komplexere Fragen zu beantworten. Sobald es zum Beispiel darum geht, zu unterscheiden, ob es sich um einen Wasserschaden oder um einen Elementarschaden handelt, braucht es Fachkenntnisse, die unerfahrene Aushilfskräfte nicht mitbringen.» Umso wichtiger sei es, dass alle involvierten Teams bereit und in der Lage seien, zu Spitzenzeiten einen Extra­Effort zu leisten – Abend­ und Wochenendeinsätze inklusive. «Wichtig ist, dass solche Sondereinsätze zeitnah kompensiert werden, was aufgrund der grossen Masse an Ereignissen in diesem Jahr leider nicht möglich war», so Saxer.

Nach dem Motto «nach dem Unwetter ist vor dem Unwetter» analysiert die Baloise jedes Grossereignis, mit dem Ziel, die internen Prozesse zu optimieren. Eine wichtige Rolle spielt hierbei auch das Thema Digitalisierung. «Wir weisen unsere Kunden stets auf die Möglichkeit der Online-­Schadensmeldung hin.» Gleichzeitig soll aber auch der persönliche Kundenkontakt nicht verloren gehen. «Ab einem bestimmten Schadenausmass schicken wir in jedem Fall einen Schadensinspektor vorbei, um sich die Situation vor Ort persönlich anzuschauen.»
 

Präventionsmassnahmen haben sich bewährt

Der Unwettersommer 2021 stellte nicht nur die einzelnen Versicherungen, sondern die gesamte Assekuranz vor Herausforderungen. «Das vergangene Jahr hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig eine flächendeckende Elementarschadenversicherung in der Schweiz ist», betont Claudia Brudermann, Präsidentin der Elementarschadenkommission des SVV. «Aus Sicht der Elementarschadenkommission kann gesagt werden, dass die im ES­-Pool zusammengeschlossenen zwölf privaten Versicherungsgesellschaften die mit dem Unwettersommer 2021 verbundenen Herausforderungen gut gemeistert haben.» Dies nicht zuletzt auch dank gesammelter Erfahrungen aus Unwetterereignissen vergangener Jahre wie dem Hochwasser 2005 oder dem Sturm Lothar 1999.

Dass der Schaden vergangenes Jahr nicht noch grösser ausgefallen ist, sei insbesondere auch auf die Hochwasserschutzmassnahmen zurückzuführen, die seit 2005 umgesetzt wurden. «Während bauliche Schutzmassnahmen das Wasser in Seen und aus Flüssen gezielt geführt und abgefangen haben, konnte andernorts mit mobilen Schutzmassnahmen Schlimmeres verhindert werden.» Die Hochwasser 2005 hätten aufgezeigt, dass viele Gewässer in der Schweiz nicht ausreichend Platz haben, erklärt Brudermann. «Daher wurde sowohl seitens des Bundes wie auch seitens der Versicherer und der Versicherungsnehmenden diverse Präventionsmassnahmen getroffen.» So investierten der Bund und die Kantone seit 2005 rund 4,5 Milliarden Franken in den Hochwasserschutz sowie in bauliche Massnahmen an Flüssen und Seen. Zudem habe auch der gute Informationsfluss und das effiziente Handeln der Einsatzkräfte zur Entschärfung der Lage beigetragen. «Die Abstimmung der Aufgaben­ und Rollenteilung sowie eine gute Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Hand und den Versicherungen bilden wichtige Voraussetzungen für ein erfolgreiches Naturgefahrenmanagement in der Schweiz.»
 

Heute investieren, morgen profitieren

Das Bewusstsein, dass Prävention zentral ist, ist laut Claudia Brudermann längst nicht nur bei den Versicherungen vorhanden. «Dass Schäden durch geeignete Präventionsmassnahmen vermieden oder zumindest verringert werden können, ist mittlerweile auch bei Behörden, Versicherungsnehmenden sowie bei praktisch allen betroffenen Stellen angekommen.» Eduard Held, Geschäftsführer des Elementarschadenpools, fügt an: «In der Regel ist der eingesparte Schaden über die Zeit viel grösser als der für die Prävention notwendige Aufwand. Diese Erkenntnis ist heute zum Glück weit verbreitet.» Darüber hinaus könne Prävention durchaus auch im Kleinen schon effektiv sein: «Jeder, der ein Einfamilienhaus besitzt, kann auf seinem Grundstück oder am Gebäude Vorkehrungen treffen, um zum Beispiel das Eindringen von Wasser zu verhindern», betont Held. Die Rechnung sei dabei immer dieselbe: «Man investiert heute etwas, um morgen zu profitieren.» Die Prävention wird in Zukunft übrigens nicht weniger wichtig – im Gegenteil: «Wegen des Klimawandels werden Naturkatastrophen künftig vermutlich vermehrt auftreten», betont Claudia Brudermann. «Das Schadenpotenzial vergrössert sich schon alleine aufgrund der Zunahme der versicherten Werte, sprich der mehr oder teureren Bauten», ergänzt Eduard Held. Insofern kann der Unwettersommer 2021 durchaus auch als Vorgeschmack auf die Zukunft betrachtet werden.
 

Funktionierende und breit abgestützte Lösung

Nebst vielen wertvollen Präventionsmassnahmen verfügt die Schweiz über ein weiteres Erfolgsrezept für die Bewältigung von Schadenereignissen: den Elementarschadenpool. Im Gegensatz zu Nachbarländern wie Deutschland sind in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein Elementarschäden praktisch vollständig versichert. Die Schweiz stützt sich dabei auf ein duales Versicherungssystem, in dem die Kantonalen Gebäudeversicherungen Gebäude in 19 Kantonen versichern, während in den restlichen 7 Kantonen und im Fürstentum Liechtenstein die Gebäude bei den Privatversicherungen versichert sind. Anders als in Deutschland, wo gemäss Aussagen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft auch per Ende 2021 erst rund die Hälfte der privaten Gebäude nicht nur gegen Feuer, Hagel und Sturm, sondern auch gegen andere Naturgefahren wie Hochwasser, Starkregen oder Erdrutsche versichert sind, sind in der Schweiz dank dem dualen System Privatversicherungen / Kantonale Gebäudeversicherungen über 99 Prozent aller Gebäude und der Fahrhabe gegen Elementarschäden versichert.

«Auch wenn es über die Jahrzehnte immer wieder Anpassungen gab, hat sich der Elementarschadenpool seit seiner Einführung sehr bewährt», betont Eduard Held.

«Wenn man die Diskussionen in anderen Ländern zu möglichen Poollösungen mitverfolgt, so können wir mit Stolz festhalten, dass die Schweiz schon sehr früh eine funktionierende und breit abgestützte Lösung implementiert hat.» Das Modell funktioniere insbesondere auch deshalb so gut, weil der Gesetzgeber und die Privatwirtschaft an einem Strick ziehen und ihren Part zu einer erfolgreichen Umsetzung beisteuern würden. Diese Partnerschaft zwischen Öffentlichkeit und Privatwirtschaft sei essentiell für den Erfolg der Poollösung. «Ohne sie wären die notwendige Solidarität und für alle tragbare Prämien nicht möglich.»