«Es braucht von al­len Sei­ten Fle­xi­bi­li­tät um al­les un­ter ei­nen Hut zu brin­gen»

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Dominik Gresch, Leiter Bereich Kranken- und Unfallversicherung, und Gunthard Niederbäumer, Leiter Bereich Schaden- und Rückversicherung, sitzen in der erweiterten Geschäftsleitung des Schweizerischen Versicherungsverbands SVV. Gleichzeitig sind beide in ihrer Wohngemeinde politisch engagiert: Dominik Gresch als Stadtrat von Zofingen und Gunthard Niederbäumer als Gemeinderat von Frick. Sie haben hierfür ihr Arbeitspensum auf 80 respektive 90 Prozent reduziert.

Herr Gresch, Sie leiten den Bereich Kranken- und Unfallversicherung beim SVV, sind für die GLP Stadtrat von Zofingen, Vater von zwei schulpflichtigen Kindern und haben Ende Mai das Aargauer Kantonalschwingfest als OK-Präsident mitorganisiert. Ist es Ihnen langweilig?

Dominik Gresch: Nein, langweilig ist es mir definitiv nicht. Ich engagiere mich gern und schätze es, mitzugestalten. Und ein Engagement ergibt das andere. Als Stadtrat von Zofingen wurde ich für die Organisation des Aargauer Kantonalschwingfestes 2019 angefragt, welches wir Ende Mai mitten in der Altstadt erfolgreich durchgeführt haben. Da konnte ich nicht Nein sagen. Nun bin ich dabei, Pendenzen aufzuarbeiten. Doch mit den Nationalratswahlen im Herbst 2019 steht bereits wieder das nächste Projekt an. Und selbstverständlich haben auch meine beiden Töchter ihre berechtigten Ansprüche.

Herr Niederbäumer, seit wann sitzen Sie als Vertreter der SP im Gemeinderat von Frick, und was motivierte Sie dazu, sich milizmässig zu engagieren?

Gunthard Niederbäumer: Im Herbst 2013 wurde ich in den Gemeinderat gewählt und führe seit dem 1. Januar 2014 das Ressort Soziales, Gesundheit und Alter. Ich betreibe seit ich 21 Jahre alt bin aktiv Politik. Schon immer wollte ich aktiv an der Gestaltung meines Umfelds mitarbeiten. So war ich früher – als wir noch in Zürich lebten –- Vizepräsident in der Baugenossenschaft, in der ich lebte. Als wir nach Frick zogen, half mir das politische Engagement bei der Integration in das Dorfleben. In den diversen Funktionen habe ich Vieles gelernt, das ich auch in meinem beruflichen Alltag nutzen kann.

Dominik Gresch und Gunthard Niederbäumer

Dominik Gresch, Leiter Bereich Kranken- und Unfallversicherung, und Gunthard Niederbäumer, Leiter Bereich Schaden- und Rückversicherung beim Schweizerischen Versicherungsverband SVV

Sie beide sind Teil der erweiterten Geschäftsleitung des SVV und dies mit einem reduzierten Pensum. Wie steht der SVV zu Ihrem Engagement?

Dominik Gresch: Ich stelle fest, dass in der Wirtschaft punkto Teilzeitkaderstellen erfreulicherweise ein Umdenken stattfindet. Denn für die Anstellung oder Beförderung einer Führungskraft soll deren Qualifikation und nicht das Pensum entscheidend sein. Beim SVV habe ich von Seiten meiner Vorgesetzten sowie Kolleginnen und Kollegen von Beginn an grosse Wertschätzung und echtes Interesse an meiner politischen Nebentätigkeit gespürt. Das mag darauf zurückzuführen sein, dass der Verband selbst politisch unterwegs ist und auf dem Milizsystem aufbaut. Denn ohne das Engagement und Know-how der Vertreterinnen und Vertreter aus den Mitgliedsgesellschaften würden unsere Verbandsgremien nicht funktionieren. Insofern ist es konsequent, wenn der SVV auch seinen Mitarbeitenden eine Miliztätigkeit ermöglicht – wie bei Gunthard Niederbäumer und mir.

Gunthard Niederbäumer: Bereits mein früherer Arbeitgeber Baloise hat mein politisches Engagement immer unterstützt. Zum SVV bin ich unter anderem auch gekommen, weil ich politische Erfahrungen vorweisen konnte. Ich spüre im SVV einen grossen Support für meine Miliztätigkeit. Es braucht jedoch von allen Seiten ein gewisses Mass an Flexibilität um alles unter einen Hut zu bringen. Ein acht Stunden Arbeitstag reicht da bei weitem nicht.

In den Medien liest man oft, dass es in der heutigen Zeit sehr schwierig sei, Personen zu finden, die bereit sind, sich in öffentlichen Ämtern, Vereinen oder anderweitig ehrenamtlich zu engagieren. Was müsste ihrer Meinung nach verbessert werden, damit wieder vermehrt Freiwillige für ehrenamtliche Tätigkeiten gefunden werden?

Gunthard Niederbäumer: Zentral ist aus meiner Sicht, dass der Arbeitgeber das Engagement unterstützt. Ist dies nicht der Fall und ist man am Arbeitsplatz zeitlich nicht flexibel, kann ein aufwändigeres Milizamt, wie die Einsitznahme in einer Gemeindeexekutive, nicht bewältigt werden. Das ehrenamtliche Engagement sollte bei der Beurteilung von Kandidaten für eine Stelle stärker mitberücksichtigt werden. Motivierend ist es natürlich auch, wenn man für sein Engagement eine Anerkennung erhält, sei dies in der Öffentlichkeit, am Arbeitsplatz oder im Freundeskreis. Diese Anerkennung fehlt heute oft. Den Weg über eine bessere finanzielle Entschädigung sehe ich nicht als erfolgsversprechend.

Dominik Gresch: Aber bei einer angemessenen Entschädigung der Miliztätigkeit lässt sich eine Reduktion des Arbeitspensums finanziell eher vereinbaren. Ich kenne allerdings einige Gemeinderäte, bei denen dies klar nicht der Fall ist. Noch wichtiger scheint mir aber auch die Anerkennung und Wertschätzung, insbesondere in Anbetracht der zunehmenden Komplexität sowie der gestiegenen Anforderungen und Erwartungen. Und natürlich braucht es auch die Bereitschaft der Unternehmen, Mitarbeitende für nebenamtliche Tätigkeiten oder Weiterbildungen in der Armee freizustellen und so das Milizsystem aktiv zu unterstützen und zu erhalten – jetzt, aber auch morgen.