Der Ver­band im ver­gan­ge­nen Jahr

Kapitel

Editorial

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Leserinnen und Leser

In den letzten Jahren hat sich unser Verständnis von Sicherheit auf verschiedenen Ebenen stark verändert. Was wir lange als selbstverständlich hingenommen haben, gilt nicht mehr. In der Ukraine tobt ein Krieg, der kaum beschreibbares Leid über die Betroffenen bringt und die Menschen in die Flucht treibt. Die Folgen für die Nahrungsmittelversorgung sind bis nach Afrika spürbar. Die Energieversorgung in Europa ist in Frage gestellt und die steigende Inflation trifft die Menschen sowie die Wirtschaft. Wir sind in einer Realität angekommen, die von Unsicherheiten und Herausforderungen geprägt ist, die wir noch vor wenigen Jahren so nicht erwartet hätten. Die befürchtete Strommangellage im Winter 2022/2023 ist zwar ausgeblieben. Aber das Risiko bleibt. Das Schadenpotenzial dieses Toprisikos für die Schweizer Volkswirtschaft ist immens. Aus Sicht der Versicherungswirtschaft ist vorausschauendes Handeln gefragt: Vorbereitung ist entscheidend für die Widerstandsfähigkeit. Das gilt für die einzelnen Risiken, das gilt für die einzelnen Unternehmen – und das gilt für die Volkswirtschaft als Ganzes.

Urs Arbter

Als Versicherungswirtschaft leisten wir einen wichtigen Beitrag zur finanziellen Widerstandsfähigkeit – oder moderner ausgedrückt – zur Resilienz. Um erfolgreich arbeiten zu können, sind wir auf geeignete Rahmenbedingungen angewiesen. Damit die Versicherungswirtschaft ihr Potenzial ausschöpfen und zum Wohlstand des Landes beitragen kann, braucht sie liberale, den Markt unterstützende Rahmenbedingungen. So kann die Versicherungswirtschaft im Interesse unserer Kundinnen und Kunden auf künftige Entwicklungen reagieren und ihre Angebote attraktiv halten. Die Digitalisierung zeigt dabei, wie stark und schnell sich Bedürfnisse und Anforderungen verändern. Die Versicherer müssen digitale Angebote und Prozesse entwickeln können, was nur mit einer verhältnismässigen und zielgerichteten Regulierung innert nützlicher Frist möglich ist.

Auch die berufliche Vorsorge ist den veränderten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anzupassen. Dies ist im Interesse der Versicherten. Das konzeptionell ausgewogene Dreisäulensystem hat sich bewährt. Es verteilt die Lasten und ermöglicht die Diversifizierung der Risiken. Darauf gilt es weiter aufzubauen. Mit der Reform der ersten Säule ist ein erster Schritt getan. National- und Ständerat haben nun auch der Reform der beruflichen Vorsorge zugestimmt. Sie einigten sich auf ein ausgewogenes Massnahmenpaket, das einen guten Kompromiss darstellt und einen wichtigen Beitrag zu einer Verminderung der unerwünschten Umverteilung von den Erwerbstätigen zu den Rentenbeziehenden und zu einer zeitgemässen beruflichen Vorsorge leistet. Kernelement ist die Senkung des BVG-Umwandlungssatzes von 6,8 Prozent auf 6,0 Prozent. Dieser ist heute viel zu hoch, weil die Lebenserwartung in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen ist. Auch die Inflation und die Konjunkturaussichten machen den Reformbedarf nicht kleiner. Mit der gleichzeitigen Stärkung des Sparprozesses wird der Senkung des BVG-Umwandlungssatzes entgegengewirkt und die Vorsorgesituation von Erwerbstätigen mit tiefen Löhnen – oft jüngere oder teilzeiterwerbstätige Frauen und Männer – verbessert. 

Ein Wechsel betrifft den Verband. Rolf Dörig übergibt sein Mandat Ende Juni 2023 nach sechsjähriger Amtszeit. Der Vorstand hat Stefan Mäder als neuen Präsidenten des SVV zur Wahl an der Generalversammlung vom 30. Juni 2023 vorgeschlagen. 

Urs Arbter, Direktor Schweizerischer Versicherungsverband SVV

Ohne Versicherungen geht nichts

Die volkswirtschaftliche Bedeutung der privaten Versicherungswirtschaft ist enorm. Sie trägt 3,8 Prozent zum Bruttoinlandprodukt der Schweiz bei und gehört zu den produktivsten und wertschöpfungsstärksten Wirtschaftszweigen. Mit knapp 26,8 Milliarden Franken entfallen 43 Prozent der Bruttowertschöpfung des Finanzsektors auf die Privatassekuranz.

Als Erst- und Rückversicherer erbringt sie Leistungen bei Sachschäden, Krankheit und Unfall, Alter und Tod und zahlt ihren Versicherten durchschnittlich 139 Millionen Franken pro Tag an Schadenleistungen und Renten aus. Damit bewahren die Versicherer Menschen vor sozialer Not oder Unternehmen vor dem wirtschaftlichen Ruin – und tragen gleichzeitig zu einer höheren Wertschöpfung von Wirtschaft und Gesellschaft bei. Mit ihrer Kompetenz in der Risikoabsicherung und Gefahrenprävention übernehmen sie volkswirtschaftliche Verantwortung.

Darüber hinaus gehören Versicherungsunternehmen zu den grössten und bedeutendsten Investoren im In- und Ausland. Sie bauen Wohnungen, vergeben Hypothekarkredite und unterstützen zahlreiche Start-ups. Die Versicherer und ihre rund 50’000 Mitarbeitenden in der Schweiz sind auch wichtige Steuerzahler. Sie generieren drei Milliarden Franken an Unternehmens- und Einkommenssteuern. Zudem ist die Versicherungswirtschaft ein attraktiver Arbeitgeber und bietet ihren Mitarbeitenden innovative und bedürfnisgerechte Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten.

Die Privatversicherer leisten einen wichtigen Beitrag zur Stabilität des Wirtschaftssystems und zum Wohlstand in der Schweiz. Deshalb setzt sich der Schweizerische Versicherungsverband SVV für eine nachhaltige Entwicklung der Branche und ihrer Standorte ein.

Interview mit Rolf Dörig

Rolf Dörig gibt an der Generalversammlung 2023 das SVV-Präsidium weiter. Während seiner Amtszeit hat sich das Sicherheitsverständnis der Gesellschaft durch die Pandemie radikal verändert. Aktuell geblieben ist der Bedarf nach einer Reform der Altersvorsorge.

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