Po­li­ti­sche Ge­schäf­te

Gesetzesrevisionen und weitere Projekte beschäftigen die Versicherer.
30. Juni 2020

Eine der am stärksten regulierten Branchen.

Revision des Versicherungsaufsichtsgesetzes

Das heutige Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) ist seit dem 1. Januar 2006 in Kraft. Zurzeit wird das Gesetz einer umfangreichen Revision unterzogen. Das Vernehmlassungsverfahren fand vom November 2018 bis Februar 2019 statt.

Der SVV nahm in seiner Vernehmlassungsantwort vom 28. Februar 2019 Stellung zur Revisionsvorlage VAG (siehe dazu den Jahresbericht 2018).

Die Botschaft des Bundesrates wird zeigen, inwieweit die Anliegen des SVV gemäss seiner Vernehmlassungsantwort in die Gesetzesvorlage zu Handen des Parlaments Eingang finden werden. Sie wird nach den Sommerferien 2020 erwartet.


Totalrevision Datenschutzgesetz: «Swiss Finish» schadet den hiesigen Unternehmen

Nach zweijähriger Vorberatung in der staatspolitischen Kommission des Erstrates (Nationalrat) hat das Parlament die Totalrevision des Datenschutzgesetzes im September (Nationalrat) bzw. Dezember (Ständerat) speditiv behandelt. Die Bereinigung der aus diesen Beratungen resultierten Differenzen zwischen den Räten hat sich aufgrund der Coronakrise verzögert.

Für den SVV ist die Revision des Datenschutzgesetzes (DSG) von zentraler Bedeutung. Der Umgang mit Kundendaten bildet eine unentbehrliche Grundlage des Versicherungsgeschäfts. Versicherer sind auf die Daten ihrer Kundinnen und Kunden angewiesen. Diese müssen umgekehrt darauf zählen können, dass die Versicherer ihre Daten bearbeiten können. Im Rahmen der Revision ist auch die Kompatibilität mit der internationalen Regulierung sicherzustellen, ohne unnötigen «Swiss Finish». Dies betrifft die revidierte Datenschutzkonvention des Europarates sowie die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zur Aufrechterhaltung der Äquivalenz. Letztere reduziert den Aufwand für internationale Datentransfers und schafft Rechtssicherheit für grenzüberschreitende Transfers.

«Profiling mit hohem Risiko»

Der SVV unterstützt die Revision und ersucht das Parlament, die Vorlage im Rahmen der Differenzbereinigung auf Basis der Arbeiten der nationalrätlichen Kommission weiterzuberaten. Dies betrifft beispielsweise das sogenannte Profiling: Der Ständerat schlägt eine Unterscheidung zwischen «Profiling» und «Profiling mit hohem Risiko» vor. Diese Definition wird zudem an verschärfende Bestimmungen geknüpft (Art. 5 Abs. 7 und Art. 27 Abs. 2 lit. c Ziff. 1 E-DSG). Die europäischen Regeln kennen keine solche Unterscheidung. Damit wird in einem für die Datenwirtschaft zentralen Thema ein schädlicher «Swiss Finish» geschaffen. Solche Bestimmungen, die über die EU-Regeln hinausgehen, führen im internationalen Vergleich zu einem Wettbewerbsnachteil für die Schweizer Unternehmen. Aus diesem Grund begrüsst der SVV das Festhalten der nationalrätlichen Kommission an der Begriffsbildung gemäss Erstberatung im Nationalrat.

Die europäischen Regeln kennen keine solche Unterscheidung.

SVV setzt sich für zweijährige Frist ein

Ein zentrales Anliegen des SVV betrifft die gesetzte Frist bis zum Inkrafttreten des revidierten Rechts. Der SVV hält eine Zeitspanne von zwei Jahren als angemessen. Die Frist ist notwendig, um den Unternehmen eine Anpassung an die neue Rechtslage zu ermöglichen. Die neuen und revidierten DSG-Bestimmungen werden die Prozesse der Unternehmen bedeutend beeinflussen – dies etwa in der Produkteentwicklung, bei der Bearbeitung von Kundendokumenten und Versicherungsbedingungen, im Bereich der der Risikobewertung und -übernahme, beim Vertragsmanagement, im Kundenservice, beim Schadenmanagement, in der Betrugserkennung sowie bei der Ausbildung und im Vertrieb. Für die zweijährige Frist spricht auch die Tatsache, dass auch die EU-DSGVO eine zweijährige Anpassungsfrist für die ganze Verordnung (d.h. für alle Bestimmungen) gewährte. Die EU-DSGVO, die am 27. April 2016 verabschiedet wurde, trat am 25. Mai 2018 in Kraft.


Courtagenmodell: Ein Verbot hätte weitreichende Folgen

Der Bundesrat will ein Verbot von Maklerprovisionen im Bereich der beruflichen Vorsorge prüfen. Für den SVV ist klar: Eine Änderung des funktionierenden Systems, würde in erster Linie zu neuen Problemen führen.

Viele Unternehmen ziehen für die berufliche Vorsorge einen Makler bei, da ihnen in der Regel das Wissen in diesem Bereich fehlt. Die Entschädigung des Maklers erfolgt entweder durch das Unternehmen («Honorarmodell»), durch die von ihm gewählte Vorsorgeeinrichtung («Courtagenmodell») oder durch eine Kombinationsvariante. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bevorzugen mehrheitlich das Courtagenmodell. Mit Art. 48k Abs. 2 BVV 2 besteht eine klare und transparente Regelung: Der Makler muss beim ersten Kundenkontakt über die Art und die Herkunft sämtlicher Entschädigungen für seine Vermittlungstätigkeit informieren. Die Art und Weise der Entschädigung ist zwingend in einer schriftlichen Vereinbarung zu regeln. Diese ist der Vorsorgeeinrichtung und dem Unternehmen gegenüber offenzulegen. Die Bezahlung und die Entgegennahme von zusätzlichen volumen-, wachstums- oder schadenabhängigen Entschädigungen sind untersagt.

Bewährtes Modell

Gleichwohl schlägt der Bundesrat im Rahmen der Botschaft zur Modernisierung der Aufsicht in der 1. Säule und Optimierung in der 2. Säule einen neuen Art. 69 BVG vor, der ihm die Kompetenz einräumt, zu regeln, «unter welchen Voraussetzungen Vorsorgeeinrichtungen für die Vermittlung von Vorsorgegeschäften Entschädigungen bezahlen dürfen und Versicherungseinrichtungen solche Entschädigungen ihrer getrennten Betriebsrechnung für die berufliche Vorsorge belasten dürfen». In den Erläuterungen wird ausgeführt, dass für den Makler im Courtagenmodell ein Interessenkonflikt (zwischen der besten Variante für seinen Auftraggeber und derjenigen Variante, die ihm die höchste Entschädigung bringt) bestehe, und dass eine vertragliche Grundlage für die Courtage fehle, wenn nicht die Vorsorgeeinrichtung das Auftragsverhältnis mit dem Maker begründet habe.

Dies würde die Wahlfreiheit der Unternehmen verunmöglichen und deren Interessen diametral zuwiderlaufen.

Courtagenverbot würde neue Probleme schaffen

Aus Sicht des SVV sind die geltenden Vorgaben gemäss Art. 48k Abs. 2 BVV 2 sinnvoll und ausreichend: Die Unternehmen können das für sie passende Entschädigungsmodell wählen bzw. mit dem Makler vereinbaren. Aufgrund der erwähnten Ausführungen des Bundesrates zu Art. 69 E-BVG ist hingegen zu vermuten, dass das Courtagenmodell gestützt auf diese neue Bestimmung verboten werden soll. Dies würde die Wahlfreiheit der Unternehmen verunmöglichen und deren Interessen diametral zuwiderlaufen.

Abnahme des Beratungsangebots

Eine Studie der Universität St. Gallen kommt zum Schluss, dass ein Courtagenverbot keine Probleme lösen, sondern neue schaffen würde: Die Vielfalt von Beratungsangeboten nähme ab, nicht aber die Kosten. Die beste Lösung bestehe vielmehr in der Fortführung des bisherigen Modells der Vertragsfreiheit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer mit punktuellen Verbesserungen hinsichtlich Transparenz, Ausbildung und Haftung.


Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft

Mit dem OECD/G20 Projekt sollen Steuereinnahmen von Sitz- zu Marktstaaten verschoben werden. Aufgrund der regulatorischen Anforderungen liefert die Versicherungsbranche bereits heute signifikante Steuererträge in Marktstaaten ab.

Im Rahmen dieses als BEPS (1) 2.0 bezeichneten Projekts versucht ein stetig wachsender Verbund von derzeit 137 Staaten, sich auf ein neuartiges, global abgestimmtes Konzept zur Unternehmensbesteuerung zu einigen. Das Gremium, das unter dem Namen Inclusive Framework aktiv ist, verfolgt das Ziel, den Problemstellungen des digitalen Zeitalters besser gerecht zu werden. Mit einer einheitlichen und möglichst weltweit gültigen Lösung sollen ein Flickenteppich nationaler Digitalsteuern auf Online-Umsätzen vermieden, eine faire Besteuerung von Konzernen erreicht und eine gerechte Verteilung dieser Steuereinnahmen sichergestellt werden.

Nicht nur Digitalkonzerne betroffen

Die neuen Besteuerungsregeln werden nicht nur Digitalkonzerne treffen, sondern auch konventionelle, «analoge» Konzerne. Voraussichtlich im Herbst 2020 sollen die entsprechenden Details kommuniziert und bis Ende Jahr eine Einigung erzielt werden. In Anbetracht der Komplexität der Materie sowie mit Blick auf die unterschiedlichen Interessen der betroffenen Staaten scheint diese Zielsetzung sehr ambitioniert. Bisher wurden nur häppchenweise theoretische Konzepte präsentiert; über konkrete Zahlen wurde nicht verbindlich gesprochen. Verschärfte Compliance- und Dokumentationsanforderungen werden insbesondere Finanz- und Steuerabteilungen in Zukunft noch stärker belasten.

Die Chancen, für die Versicherungsbranche eine akzeptable Ausnahmeregelung zu erzielen, sind intakt.

Sitz- und Marktstaaten

Das geplante Reformprojekt umfasst zwei Säulen:

Säule 1: Neuartige Gewinnverteilung zugunsten von Marktstaaten

Konzerngewinne sollen neu auch ohne steuerliche Betriebsstätte vor Ort von Marktstaaten (d.h. Staaten, in denen sich zahlende Netflix-Konsumenten oder Adressaten von Google-Onlinewerbung befinden) teilweise besteuert werden dürfen, was zu einer Verschiebung der Steuereinnahmen von Sitzstaaten zu Marktstaaten führen wird. Durch diese Neuerung wollen sich die Marktstaaten einen Anteil an den Steuererträgen der Grosskonzerne sichern. Der SVV hat sich für eine Ausnahme der Versicherungsbranche von Säule 1 eingesetzt, da die Versicherungsbranche unter anderem aufgrund regulatorischer Anforderungen bereits heute signifikante Steuererträge in Marktstaaten abliefert. Die Chancen, für die Versicherungsbranche eine akzeptable Ausnahmeregelung zu erzielen, sind intakt.

Säule 2: Globale Mindestbesteuerung

Mit diversen steuerlichen Korrekturmechanismen soll eine globale Mindestbesteuerung durchgesetzt werden. Zentrales Element ist die Nachbesteuerung der Gewinne von Tochtergesellschaften in Niedrigsteuerländern. Der SVV setzt sich bei der Umsetzung von Säule 2 für praktikable Regeln ein, um den administrativen und finanziellen Mehraufwand in Grenzen zu halten.


(1) BEPS steht für Base Erosion and Profit Shifting. Zu Deutsch: Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung. Unter Gewinnverkürzung wird das Ausnutzen bestehender steuerlicher Regelungen verstanden, wodurch die Besteuerungsgrundlage reduziert wird. Als Gewinnverlagerung kann man die Verschiebung von Steuersubstrat von Hoch- in Niedrigsteuerländer bezeichnen.


Observationen klar geregelt

Nachdem Parlament hat der Bundesrat mit der Verordnungsbestimmungen die Rahmenbedingungen für Observationen geklärt. Ein Leitfaden des Bundesamtes für Sozialversicherungen gibt wichtige Informationen.

Das Parlament hat im Rahmen der Revision des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) eine gesetzliche Grundlage für die Observationen für alle Sozialversicherungen geschaffen. Sie regelt die Voraussetzungen und zulässigen technischen Instrumente für die Observation bei Verdacht auf Versicherungsmissbrauch. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 7. Juni 2019 die Verordnungsbestimmungen zu den Observationen verabschiedet. Die Observationsspezialistinnen und -spezialisten benötigen eine Bewilligung und erhalten Vorgaben zum Schutz der Privatsphäre und zum Einsatz von technischen Geräten.

Vom Bundesamt für Sozialversicherungen BSV wurde im September 2019 ein Leitfaden für «Observationen für Sozialversicherungen» herausgegeben. Dieser regelt die «Anforderungen an Observationsspezialistinnen und -spezialisten» und gibt eine Anleitung zur Einreichung von Bewilligungsgesuchen. Der Leitfaden und weitere wichtige Fragen und Antworten können unter der folgenden Seite abgerufen werden:  bsv.admin.ch