Die 5 wichtigsten Punkte der BVG-Reform
National- und Ständerat haben am 17. März 2023 die Reform der beruflichen Vorsorge verabschiedet. Sie stellt einen ausgewogenen und kostenverträglichen Kompromiss dar, der einen wichtigen Beitrag für eine zukunftsfähige Altersvorsorge leistet. Die Schweizer Privatassekuranz unterstützt die Reform deshalb ausdrücklich. Nachfolgend werden die wichtigsten Aspekte der Reform aufgelistet und aus Sicht der Schweizer Versicherungswirtschaft eingeordnet.
Die Renten der beruflichen Vorsorge stehen seit geraumer Zeit unter Druck. Gründe dafür sind die steigende Lebenserwartung und die tieferen Anlagerenditen. Weder Inflation noch steigende Zinsen lösen das Problem. Eine Reform der beruflichen Vorsorge ist deshalb dringend notwendig.
Kernelement der beschlossenen Reform ist die Senkung des überhöhten BVG-Umwandlungssatzes von 6,8 Prozent auf 6,0 Prozent. Damit wird die unerwünschte Umverteilung von den Erwerbstätigen zu den Rentenbeziehenden reduziert. Mit der gleichzeitigen Stärkung des Sparprozesses (Anpassung der Altersgutschriften und des Koordinationsabzugs) und den Rentenzuschlägen für die Übergangsgeneration wird das Leistungsniveau weitgehend gehalten und die Vorsorgesituation der Erwerbstätigen mit tiefen Löhnen – oft jüngere oder teilzeiterwerbstätige Frauen und Männer – verbessert. Die Reform stabilisiert und modernisiert die berufliche Vorsorge und erreicht damit die gesetzten Ziele.
1. Senkung des Mindestumwandlungssatzes auf 6,0 Prozent
Mit der BVG-Reform wird der Mindestumwandlungssatz in der obligatorischen beruflichen Vorsorge von 6,8 auf 6,0 Prozent gesenkt. Diese Massnahme ist zur finanziellen Stabilisierung der beruflichen Vorsorge zwingend.
Konkret: Während der Erwerbstätigkeit zahlen die Arbeitnehmenden und ihre Arbeitgebenden Beiträge in die Pensionskasse ein. Die Sparbeiträge werden in Form von Altersgutschriften dem persönlichen Altersguthaben gutgeschrieben und verzinst. Bei der Pensionierung wird das vorhandene Altersguthaben in eine lebenslange Altersrente (inkl. Anspruch auf Hinterlassenenrenten) umgewandelt oder in Kapitalform ausbezahlt.
Der Umwandlungssatz bestimmt die Umwandlung des angesparten Altersguthabens in eine lebenslange Altersrente. Er beträgt in der obligatorischen Vorsorge nach BVG zurzeit 6,8 Prozent für einen 65-jährigen Mann beziehungsweise eine 64-jährige Frau. Dies bedeutet, dass ein Altersguthaben von CHF 100’000 zu einer jährlichen Altersrente von CHF 6’800 führt (also 6,8 Prozent von CHF 100’000). Der Satz von 6,8 Prozent ist deutlich zu hoch; der richtige Wert, damit das angesparte Kapital bis ans Lebensende reicht, liegt gemäss Experten bei rund 5 Prozent.
Die einleuchtende Erklärung: Bei der Einführung des BVG rechnete man mit rund 15 (Männer) bzw. 19 (Frauen) Rentenbezugsjahren. Mittlerweile sind es rund 20 (Männer) bzw. 23 (Frauen) Jahre (Quelle: Bundesamt für Statistik). Während also die Rentenbezugsdauer um über 30 Prozent (Männer) bzw. 20 Prozent (Frauen) zunahm, wurde der Umwandlungssatz nur gerade um 6 Prozent (von 7,2 Prozent auf 6,8 Prozent) reduziert.
In einer BVG-Minimallösung muss deshalb heute für jeden Neurentner das Altersguthaben um mehr als einen Drittel aufgestockt werden. Pro CHF 100’000 Altersguthaben müssen also mindestens CHF 33’300 zusätzlich bereitgestellt werden, um die Altersrente von CHF 6’800 zu finanzieren. Diese Mittel werden zwangsläufig zulasten der aktiv Versicherten finanziert, namentlich durch eine tiefere Verzinsung der Altersguthaben.
Es findet damit eine systematische Umverteilung von den Erwerbstätigen zu den Rentenbeziehenden statt, die in der zweiten Säule nicht vorgesehen ist. Diese unerwünschte Umverteilung soll mit der Reform reduziert werden. Da die Senkung des Umwandlungssatzes für einen Teil der Erwerbstätigen mit einer Rentenkürzung verbunden wäre, sieht die Reform auch Massnahmen zur Sicherung des heutigen Rentenniveaus vor. Diese bestehen in der Stärkung des Sparprozesses (Punkte 2 und 3) und der Kompensation für die Übergangsgeneration (Punkt 4).
2. Reduktion des Koordinationsabzugs
Der Koordinationsabzug wird mit der BVG-Reform auf neu 20 Prozent des AHV-Lohnes reduziert. Damit wird das Leistungsniveau gemäss BVG bei voller Beitragsdauer für tiefe und mittlere Einkommen (und damit insbesondere für Teilzeitbeschäftigte) verbessert.
Konkret: Die Schweiz setzt bei der Altersvorsorge auf das bewährte Dreisäulensystem. Die erste Säule (AHV) und die zweite Säule (Berufliche Vorsorge, BVG) sollen zusammen den gewohnten Lebensstandard ermöglichen. Zur Koordination mit der ersten Säule wird in der zweiten Säule nicht der gesamte Lohn versichert. Vielmehr werden Lohnteile, die bereits in der AHV versichert sind, mit dem sogenannten Koordinationsabzug abgezogen. Der in der zweiten Säule zu versichernde Lohnteil wird deshalb auch als koordinierter Lohn bezeichnet. Ursprünglich entsprach der Koordinationsabzug denn auch der Höhe einer maximalen einfachen AHV-Rente. Um tiefere Einkommen zu begünstigen, wurde er ab dem Jahr 2005 auf sieben Achtel der maximalen einfachen AHV-Rente reduziert. Bei einer maximalen einfachen AHV-Rente von CHF 29’400 beträgt der Koordinationsabzug heute CHF 25’725.
Mit der vorliegenden BVG-Reform soll der Koordinationsabzug neu 20 Prozent des AHV-Lohnes betragen. Damit könnten auch Personen mit kleinem Einkommen und insbesondere Teilzeitbeschäftige mehr Geld für die berufliche Vorsorge sparen.
3. Flachere Staffelung der Altersgutschriften
Die BVG-Reform sieht eine Vereinfachung und flachere Staffelung der Altersgutschriften vor. Neu soll für Versicherte im Alter von 25 bis 44 Jahren eine Altersgutschrift von 9 Prozent und im Alter von 45 bis 65 Jahren von 14 Prozent des BVG-pflichtigen Lohnes gelten. Dies ist – neben der Anpassung des Koordinationsabzugs – ein notwendiger Schritt, um das Leistungsniveau des BVG bei voller Beitragsdauer möglichst zu erhalten.
Konkret: Heute betragen die Altersgutschriften im obligatorischen Bereich der beruflichen Vorsorge für 25- bis 34-Jährige 7 Prozent und für 55- bis 65-Jährige 18 Prozent des koordinierten Lohnes. Um die Anstellung und Weiterbeschäftigung von über 55-Jährigen zu fördern, sollen die BVG-Sparbeiträge, die je hälftig von Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden zu entrichten sind, weniger stark abgestuft werden als bisher. Damit sollen ältere Arbeitnehmende für die Unternehmen weniger «teuer» werden.
4. Kompensationsmassnahme für die Übergangsgeneration
Arbeitnehmende, die in den ersten Jahren nach Inkrafttreten der Reform pensioniert werden (sogenannte Übergangsgeneration), erhalten je nach Jahrgang und Vorsorgeguthaben einen Rentenzuschlag. Damit werden die bisherigen Leistungen auch für die Übergangsgeneration erhalten.
Konkret: Die Reduktion des Koordinationsabzugs und die Anpassung der Altersgutschriften führen dazu, dass die Senkung des BVG-Mindestumwandlungssatzes über die gesamte Beitragsdauer weitgehend kompensiert wird. Für die Erwerbstätigen, die in den nächsten Jahren pensioniert werden, funktioniert diese Kompensation jedoch nicht. Für diese sogenannte Übergangsgeneration sind deshalb zusätzliche Massnahmen vorgesehen, um die bisher versicherten Leistungen ausrichten zu können. National- und Ständerat haben sich auf ein Modell geeinigt, bei dem der Rentenzuschlag vom Jahrgang und vom angesparten Altersguthaben abhängt. Den vollen Rentenzuschlag (d. h. CHF 2’400 pro Jahr für die ersten fünf Neurentnerjahrgänge, CHF 1’800 für die folgenden fünf Neurentnerjahrgänge 6–10 und CHF 1’200 für die letzten fünf Neurentnerjahrgänge 11–15) erhalten Versicherte, deren Vorsorgeguthaben bei der Pensionierung das 2,5-fache des maximal versicherten Jahreslohnes (insg. CHF 220’500) nicht übersteigt. Kein Anspruch auf einen Rentenzuschlag besteht, wenn das Vorsorgeguthaben den fünffachen Betrag des maximal versicherten Jahreslohnes (CHF 441’000) übersteigt. Bei einem Vorsorgeguthaben, das zwischen diesen beiden Grenzwerten liegt, besteht Anspruch auf einen reduzierten Rentenzuschlag. Rund 25 Prozent der Versicherten in der Übergangsgeneration erhalten einen vollen und weitere 25 Prozent einen reduzierten Rentenzuschlag.
5. Senkung der Eintrittsschwelle
Die Eintrittsschwelle, das heisst der Mindestjahreslohn, ab dem die berufliche Vorsorge obligatorisch ist, wird mit der BVG-Reform von heute CHF 22’050 auf CHF 19’845 gesenkt.
Konkret: Mit der Senkung der Eintrittsschwelle sind rund 70’000 Arbeitnehmende neu und 30’000 Mehrfachbeschäftigte für zusätzliche Anstellungsverhältnisse zu versichern. Diese Personen erhalten damit Zugang zur beruflichen Vorsorge beziehungsweise eine bessere Versicherung.