Tarifstreit in der Romandie: Was Versicherte jetzt wissen müssen
In Genf und Waadt erhalten Zusatzversicherte bei Klinikaufenthalten derzeit teilweise keine Kostendeckung aus der Zusatzversicherung. Der Grund sind laufende Tarifverhandlungen, die zur Erhöhung der Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Leistungsabrechnungen notwendig wurden. Solche Verhandlungen können dazu führen, dass temporär kein Vertrag besteht, weshalb keine Kostengutsprachen gewährt werden können. Die Versicherer setzen alles daran, rasch Lösungen zu finden. Erfahren Sie hier, warum es zu dieser Situation kam und was Sie jetzt tun können.
In Genf und Waadt besteht seit dem 1. Januar 2025 ein Tarifkonflikt zwischen einigen Zusatzversicherern und der Ärzteschaft, der zur Folge hat, dass gewisse Mehrleistungen von Versicherern aktuell nicht rückvergütet werden können.
Ausgangspunkt ist die notwendige Abgrenzung zwischen Leistungen der obligatorischen Grundversicherung (KVG) und der freiwilligen Zusatzversicherung (VVG). Seit 2017 stehen die Krankenzusatzversicherer dazu im engen Austausch mit der Finanzmarktaufsicht FINMA, um die Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei der Leistungsabrechnung zu erhöhen.
Auf Basis einer Erhebung der FINMA im Jahr 2020 wurden durch den Schweizerischen Versicherungsverband SVV branchenweite Standards formuliert. Diese neuen Anforderungen gelten seit dem 1. Januar 2022 und verlangen eine klare und transparente Darstellung der Mehrleistungen. Die dazu erforderliche Anpassung der rund 1'700 bestehenden Verträge zwischen den Krankenversicherern und den Leistungserbringern braucht Zeit; deshalb galt bis Ende 2024 eine Übergangsfrist.
Seit 2025 dürfen jedoch nur noch Leistungen vergütet werden, die auf Vereinbarungen basieren, die mit den Anforderungen der FINMA konform sind. Insbesondere in der Genferseeregion – also Genf und Waadt – bestehen für die Abrechnung ärztlicher Mehrleistungen jedoch noch Tarifmodelle, die nicht den neuen Anforderungen entsprechen. Deshalb kann es aktuell zu Leistungseinschränkungen kommen. Die Versicherer arbeiten intensiv daran, vertragskonforme Lösungen zu verhandeln und bieten Versicherten, wo nötig, alternative Behandlungsmöglichkeiten an.
Die Versicherer setzen sich für Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Leistungsabrechnungen ein. Das ist im Interesse der Versicherten. Gleichzeitig setzen sie zwingende Anforderungen der FINMA um. Die Grundsätze des SVV verlangen, dass Tarifstrukturen klar, transparent und von der Grundversicherung abgrenzbar sind. Entsprechend wurden mittlerweile in einem Grossteil der Schweiz zusammen mit den Leistungserbringern Tarifmodelle vereinbart, die besagten Grundsätzen entsprechen. Hingegen erfüllt das von der Genfer Ärztegemeinschaft AMGe erarbeitete Tarifmodell diese Vorgaben nach Einschätzung vieler Versicherer noch nicht. Um keine Risiken für die Versicherten und das System einzugehen, handeln die Krankenversicherer mit der nötigen Sorgfalt.
In einem Grossteil der Schweiz konnten einvernehmliche Lösungen gefunden werden. In Genf und teilweise in der Waadt bestehen jedoch besondere Herausforderungen. Dies hat mit der Organisation der Ärzteschaft in diesen Kantonen zu tun: Kantonale Ärztegesellschaften verhandeln für die Ärzteschaft. Diese bestehen auf eigenen Tarifstrukturen, deren Konformität mit den FINMA-Vorgaben umstritten ist. Das erschwert die Verhandlungen erheblich. Im Rest der Schweiz wurden hingegen bereits Strukturen eingeführt, die den vom SVV erarbeiteten Grundsätzen gemäss den Anforderungen der FINMA entsprechen. Das zeigt, dass funktionierende Lösungen möglich sind. Auch in Genf und Waadt hoffen die Versicherer auf Fortschritte, da mehr Transparenz letztlich im Interesse der Versicherten liegt.
Der Schweizerische Versicherungsverband SVV unterstützt seine Mitglieder darin, eine gesetzeskonforme und pragmatische Lösung zu finden, die den vom SVV erarbeiteten Kriterien entsprechen. Aus kartellrechtlichen Gründen darf der SVV jedoch keine Vertragsverhandlungen mit Leistungserbringern führen. Der Verband tritt daher lediglich als Brückenbauer auf, um einen guten Austausch sicherzustellen und die Verhandlungsbemühungen seiner Mitglieder zu unterstützen. Das Ziel des SVV ist es, Voraussetzungen zu schaffen, damit in sämtlichen Vertragssituationen Lösungen im Interesse der Versicherten erreicht werden.
Die Anwendung des bewährten Modells Medicalculis bietet eine solide Grundlage für eine rasche Entschärfung der Situation. Allerdings ist Medicalculis lediglich das Abrechnungsmodell. Damit eine Rückerstattung wieder möglich wird, müssen Versicherer und Ärzteschaft zusätzlich noch eine konkrete Vereinbarung über die Preise sowie technische Fragestellungen abschliessen. Erst wenn Tarifmodell und Preis gemeinsam vertraglich geregelt sind, kann die Rückerstattung für die betroffenen Leistungen wieder aufgenommen werden. Der SVV ist zuversichtlich, dass bald entsprechende Einigungen erzielt werden, damit die Versicherten wieder von einer vollen Kostendeckung profitieren.
Für einige Leistungen in Privatkliniken müssen Versicherte aktuell mit einer vorübergehenden Selbstbeteiligung rechnen. Die Versicherer arbeiten intensiv daran, dass diese Einschränkungen so schnell wie möglich aufgehoben werden. Ziel bleibt es, den Patientinnen und Patienten wieder eine volle Deckung anzubieten.
Wir empfehlen Versicherten, die einen Klinikaufenthalt planen, sich frühzeitig mit ihrer Versicherungsgesellschaft in Verbindung zu setzen. Dort können sie prüfen, ob die geplante Behandlung oder der Spitalaufenthalt gedeckt ist. Zudem kann eine Kostengutsprache beantragt werden, um die Kostendeckung verbindlich zu klären. Falls eine Deckungslücke besteht, unterstützen die Versicherer bei der Suche nach alternativen Behandlungsmöglichkeiten, bei denen die Kosten vollständig übernommen werden. Weitere Tipps finden Sie auch hier.