Pa­ti­en­ten mit Ar­beits­pro­ble­men: Hil­fen für Haus­ärz­te

Kontext06. Oktober 2020

Bei psychisch bedingter Arbeitsproblematik ist es wichtig, die meist lange Vorgeschichte sowie die Persönlichkeit und das Verhalten für die Arbeitsintegration miteinzubeziehen.

Hausärztinnen und Hausärzte beraten täglich Patientinnen und Patienten mit psychisch bedingter Arbeitsproblematik oder Arbeitslosigkeit. Sehr häufig müssen sie die Arbeitsfähigkeit beurteilen oder Berichte an die Versicherer verfassen. Eine neue Broschüre gibt Hausärztinnen und Hausärzten Hintergrundinformationen und unterstützt sie in ihrer Situationsbeurteilung mit einer kurzen Checkliste. Die Hinweise gliedern sich nach

  1. Früherkennung von Arbeitsproblemen,
  2. Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und
  3. Reintegration nach längerer Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit.

Dieser Artikel zeigt auf, dass die Beteiligten ihren Fokus häufig auf ein Burn-out richten und die meist lange vorbestehende Arbeitsproblematik nur ungenügend würdigen. Entsprechend greift es zu kurz, die Arbeits(un)fähigkeit nur in Bezug auf die akute Situation zu beurteilen; denn bei psychischer Arbeitsunfähigkeit besteht in den meisten Fällen eine lange Vorgeschichte, die sich auf die Persönlichkeit und das Verhalten auswirkt. Persönlichkeit und Verhalten sind für das Lösen von Arbeitsproblemen denn meist auch viel wichtiger als die vordergründige, meist depressive Symptomatik. Sollen Krankschreibungen rehabilitativ nützlich sein, müssen die Behandelnden diese Historie und die überdauernden unangepassten Bewältigungsmuster berücksichtigen. Bei nicht akuten Zuständen wie beispielsweise einer Psychose oder einer schweren Depression riskieren sie sonst Beurteilungen, die den Arbeitsplatz der Betroffenen gefährden.


Berufliche (Wieder)Eingliederungserfolge sind bei psychischen Störungen gegenüber beispielsweise muskuloskelettalen Erkrankungen deutlich reduziert, obwohl sich Symptome und Erleben in den meisten Fällen sehr ähnlich sind. Die Broschüre für Hausärzte veranschaulicht Hintergründe dafür, unter anderem die Tabuisierung, die dazu führt, dass psychisch belastete Mitarbeitende ihre Problematik bei der Arbeit nicht offenlegen und Vorgesetzte Hemmungen haben, ihre Mitarbeitenden frühzeitig auf Auffälligkeiten anzusprechen. Zudem sind psychische Beeinträchtigungen schwer einschätzbar, was dazu führt, dass Arbeitgeber zunächst sehr zurückhaltend und «verständnisvoll» reagieren, mit der Zeit jedoch ihre Geduld verlieren, da sie die Problematik eben nicht «verstehen». Gleichzeitig haben Therapeutinnen und Therapeuten gegenüber Arbeitgebern und Versicherern meistens einen Schutzimpuls, der zwar ein Engagement zeigt, aber oft kontraproduktiv ist.


Der Artikel zeigt an einem Beispiel, wie – unter Einbezug aller Beteiligten – eine integrierte Abklärung und Beratung bei psychischen Arbeitsproblemen durchgeführt werden kann: WorkMed, ein im Herbst 2019 geschaffenes Kompetenzzentrum der Psychiatrie Baselland, unterstützt Patienten und Therapeuten bei Arbeitsproblemen und berücksichtigt dabei gleichwertig die Perspektive der Arbeitgeber und Versicherer. Gemeinsam wird eine detaillierte Arbeitsanamnese erhoben und typische Problem- und Lösungsmuster werden herausgearbeitet. Die Erfahrung von rund 450 Klientinnen und Klienten zeigt, dass diese ganzheitliche und historische Perspektive in kurzer Zeit ein klares und für alle Beteiligten nachvollziehbares Beurteilen der Arbeitsunfähigkeit ermöglicht und zu rehabilitativ sinnvollen Lösungen beitragen kann – auch wenn sie für einige Betroffene im ersten Moment nicht einfach zu akzeptieren sind. Aber berufliche Integration ist ohne eine wertschätzende authentische Benennung der Arbeitsproblematik nicht nachhaltig.

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