Wie aus Ri­si­ken Prä­mi­en wer­den

Kontext05. August 2021

Markante Prämienunterschiede führen immer wieder zu Diskussionen in der breiten Öffentlichkeit. Ein Blick auf die Tarifierung zeigt, nach welchen Kriterien die Schweizer Versicherer die Prämien berechnen.

Die Prämie einer Versicherung ist im Prinzip nichts anderes als das Preisschild für ein bestimmtes Risiko. Dieses zu ermitteln, ist die komplexe Aufgabe der Versicherungsmathematik. Während sie bei etablierten Produkten wie der Hausratversicherung ziemlich genau bestimmt werden kann, ist das Feld bei neuartigen Versicherungen wie etwa im Cyberbereich noch breiter. Hier werden die Prämien stetig angepasst und auch die Ausgestaltung der Produkte ist längst nicht abgeschlossen. Unterschiede in der Preisgestaltung zeigen sich aber nicht nur bei den einzelnen Produkten, sondern auch zwischen den Anbietern. Ein Vergleich unter den Versicherungsgesellschaften zeigt: Die Risikofaktoren werden unterschiedlich gewichtet. Auch der Wettbewerb spielt dabei eine Rolle.

Bundesrat befasste sich mit Diskriminierung

Zu reden gibt die Tarifierung auch immer wieder in Bezug auf die Motorfahrzeugversicherung. Eine im März 2021 veröffentlichte Analyse des Onlinevergleichsdienstes Comparis zeigt auf, dass Staatsangehörige aus dem Balkan und der Türkei mit einem durchschnittlichen Prämienzuschlag von bis zu 60 Prozent rechnen müssen. 

Der Bundesrat hat sich schon mehrmals mit der Frage befasst, ob die Ausgestaltung der Versicherungsprämien diskriminierend sei. In seiner Antwort zum Postulat «Diskriminierung im Bereich der Autoversicherung» heisst es: «Die Abklärungen haben ergeben, dass die bisher bekanntgewordenen risikobezogenen Tarifierungen, die unter anderem auch nach Nationalitäten unterscheiden, weder eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots noch eine unerlaubte Diskriminierung darstellen, sofern sie sich statistisch belegen lassen.» Entscheidend ist also, dass die Kriterien, die einer Tarifierung zugrunde liegen, im direkten Zusammenhang mit dem Risiko stehen und sachlich begründet sind. Wenn dieser Umstand gegeben ist, ist der Vorwurf der Diskriminierung nicht gerechtfertigt. Die höhere Prämie ergibt sich in diesem Fall nicht in erster Linie aufgrund einer bestimmten Nationalität, sondern weil Menschen mit dieser Nationalität in Unfallstatistiken häufiger auftauchen als andere.

Wie bestimmen Versicherer die Prämie?

Versicherer versuchen ein Risiko anhand von Erfahrungswerten und Statistiken möglichst genau zu erfassen. Zu diesem Zweck bilden sie sogenannte Risikokategorien. Bezogen auf die Autoversicherung gibt es beispielsweise Unfallstatistiken nach Automarke bzw. Autotyp. Je nach Fahrzeug kann es sein, dass das rein statistische Risiko eines Schadenfalls höher ist. Wie bei der Marke gibt es auch Auswertungen in Bezug auf das Geschlecht, das Alter, die Fahrpraxis, die Nationalität oder den Wohnort.

Wie kommt es, dass Ausländerinnen und Ausländer bei der Autoversicherung höhere Prämien bezahlen – jedoch nicht bei allen Versicherungsgesellschaften den gleichen Zuschlag in Kauf nehmen müssen?

Die Versicherer ziehen eigene und öffentliche Statistiken bei, um ihr individuelles Risiko möglichst genau beziffern zu können. Dabei versuchen sie Gruppen zu bilden, die sich anhand bestimmter Merkmale eingrenzen lassen. Menschen mit Nationalitäten, die mehr Autounfälle verzeichnen als andere und deren Schadensumme vergleichsweise hoch ist, fallen in eine höhere Risikokategorie. Nicht alle Versicherer gewichten die Risiken jedoch genau gleich. Deshalb sind die Zuschläge bei manchen Anbietern höher als bei anderen. Es gibt auch Versicherungsgesellschaften, die ganz auf die Zuschläge verzichten, um sich im Wettbewerb um die Prämienzahler behaupten zu können.

Wann ist eine Tarifierung diskriminierend?

Die Berechnung der Prämie erfolgt auf rein objektiver Basis und nimmt Statistiken als Grundlage. Die Tarifierung darf niemals zufällig sein und muss auf verschiedenen Kriterien beruhen. Die Kategorien müssen zudem regelmässig überprüft und gegebenenfalls angepasst werden, was die Finanzmarktaufsicht (Finma) kontrolliert. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist die risikobezogene Berechnung von Versicherungsprämien laut Bundesrat nicht diskriminierend.

Was können Versicherte tun, die einer hohen Risikokategorie zugeordnet sind?

Wer risikobewusst unterwegs ist und trotzdem in einer hohen Kategorie angesiedelt ist, hat mehrere Möglichkeiten: So gibt es in der Autoversicherung ein individuelles Bonus-Malus-System. Wer unfallfrei fährt, bezahlt eine tiefere Prämie. Aber auch bei anderen Versicherungsprodukten ist die Verhandlungsposition für Rabatte besser, wenn die Schadenbelastung in der Vergangenheit gut war. Ein höherer Selbstbehalt ist ein weiterer Hebel, um die Prämie tief zu halten.

Frauen fahren günstiger, Tessiner bezahlen am meisten

Nicht nur die Nationalität sorgt bisweilen bei einem Prämienvergleich der Autoversicherungen für grosse Augen. Haben Sie beispielsweise gewusst, dass …

… Frauen im Allgemeinen weniger bezahlen? Sie haben zwar statistisch gesehen mehr Schadenfälle, dafür sind die Schadensummen durchschnittlich tiefer als bei Männern.

… die Tessinerinnen und Tessiner besonders tief in die Tasche greifen müssen? Dicht gefolgt von den Autofahrenden in den Kantonen Zürich, Basel-Stadt und Genf. Das hat ein Vergleich von Comparis 2019 ergeben. Wer in städtischen Gebieten wohnt, muss grundsätzlich mit höheren Prämien rechnen. Am günstigsten kamen in dem Vergleich übrigens die Nidwaldnerinnen und Nidwaldner davon.

… Sportwagen teurer ausfallen als Kleinwagen? Je mehr Kraft im Motor steckt, desto höher ist grundsätzlich die Prämie. Vor dem Kauf eines neuen Autos kann es sich deshalb lohnen, die Auswirkungen auf die Versicherungsprämie zu überprüfen.