Zah­len und Fak­ten zur Nach­hal­tig­keit der Ver­si­che­rungs­bran­che

18. Juni 2020

Methode und Abgrenzung

Das vorliegende Nachhaltigkeitsreporting ermöglicht erstmals allgemeine Aussagen zum Thema Nachhaltigkeit für die Mitgliedunternehmen des Schweizerischen Versicherungsverbandes. Es deckt drei Bereiche der Versicherungswirtschaft ab: Kapitalanlagen, Betriebsökologie und Underwriting.

Für die Bereiche Kapitalanlagen und Betriebsökologie hat der SVV die Daten der Mitgliedgesellschaften mittels Fragebogen ermittelt. Es handelt sich um Selbstdeklarationen der Mitgliedgesellschaften. Diese Daten ermöglichen quantitative Aussagen zu den nachhaltig verwalteten Vermögenswerten sowie zu den CO2-Werten der Mitgliedunternehmen.

  • Die Daten wurden von Mitte Dezember 2019 bis Mitte Januar 2020 erhoben. Das Stichdatum ist der 31. Dezember 2019.
  • Die Teilnahme war freiwillig.
  • Von den 76 Mitgliedunternehmen haben 32 Unternehmen (die 94 Prozent der Kapitalanlagen der Privatassekuranz verwalten) an der Umfrage teilgenommen.
  • Die Daten der einzelnen Unternehmen werden nicht kommuniziert.1
  • Die Marktabdeckung der Unternehmen, die teilgenommen haben, erlaubt Aussagen zur ganzen Versicherungsbranche. Qualitative Aussagen zu den Anstrengungen der Branche ergänzen die datenbasierten Ergebnisse.

Für das Kapitel Underwriting wurden keine quantitativen Daten erhoben. Die Leistungen und Massnahmen einzelner Versicherer dienen hier als Basis für qualitative Angaben zur Versicherungsbranche. Im Wesentlichen basieren diese Informationen auf den Nachhaltigkeitsberichten und Verlautbarungen der Mitgliedgesellschaften. Konkrete Fallbeispiele zeigen Umsetzungen auf.

Weitere Aktivitäten
Das vorliegende Reporting hat sich auf die beschriebenen Aktivitäten fokussiert. Darüber hinaus engagieren sich Mitgliedunternehmen noch in anderer Form für das gesellschaftliche und ökologische Wohl. Mit Firmenstiftungen und Sponsoring setzen sie sich für nachhaltige Projekte ein. Die Versicherer bieten ihren Mitarbeitenden gute Arbeitsverhältnisse und Weiterbildungsmöglichkeiten, und sie fördern aktiv deren gesellschaftliches sowie politisches Engagement. Ein für den Versicherungsverband wichtiges Thema fliesst ebenfalls nicht in das Reporting ein: die Altersvorsorge. Auch die Vorsorge für Jung und Alt gehört aus Sicht des SVV zur Nachhaltigkeit. Die Gefahr ist gross, dass wir hier den kommenden Generationen mehr Schulden als Leistungen hinterlassen. Der SVV setzt sich deshalb dafür ein, die Vorsorge so zu gestalten, dass auch sie das Prädikat nachhaltig verdient.


1) Die meisten Mitgliedunternehmen veröffentlichen Ökobilanzen und berichten über ihre Aktivitäten im Bereich Responsible Investment auf ihren Websites.

 

Untersuchungsbereiche

Kapitalanlagen

Die Ausrichtung der Kapitalflüsse in nachhaltige Anlagen ist eine durch die Versicherer direkt umsetzbare Massnahme. Entsprechend haben vor allem die grossen, global aktiven Versicherungsgruppen schon vor 2019 begonnen, ihre Kapitalanlagen mit Rücksicht auf Nachhaltigkeitskriterien zu steuern oder ihre Portfolios insgesamt entsprechend umzuschichten. In einigen Bereichen wie beispielsweise Immobilien investieren Versicherer bereits seit längerem unter besonderer Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten.

Die Mitgliedgesellschaften des SVV haben sich im Herbst 2018 dazu bekannt, ESG-Kriterien für die Steuerung ihrer eigenen Kapitalanlagen zu berücksichtigen. ESG steht für «Environmental», «Social» und «Governance» und meint die Verantwortung bezüglich Umwelt, sozialer Fragen und Unternehmensführung. Dabei geht es um den Einbezug von Umwelt- und Gesellschaftsfragen sowie um gute Unternehmensführung. Erstmals hat der SVV bei seinen Mitgliedgesellschaften mittels einer Umfrage Daten zur Steuerung der Kapitalflüsse erhoben. Eine einheitliche Erfassung wird insofern erschwert, als es keine international oder national gültige oder anerkannte Richtlinien gibt, die von allen Versicherern einheitlich verwendet würden. Der SVV hat sich deshalb auf die im Markt üblichen Kriterien im Bereich der nachhaltigen Geldanlagen gestützt.

An der Erhebung des SVV haben 32 Mitgliedgesellschaften – insbesondere alle grossen und mittleren Mitgliedgesellschaften – teilgenommen. Die rapportierenden Gesellschaften verwalten 94 Prozent der Kapitalanlagen der Privatassekuranz. Bei 86 Prozent dieser Kapitalanlagen werden ESG-Kriterien in den Investitionsprozess einbezogen.

In den nachstehend aufgeführten wichtigen Anlagekategorien konnten folgende Werte erzielt werden:

  • Immobilien (90 Prozent des Anlagevolumens der teilnehmenden Gesellschaften)
  • Festverzinsliche Wertpapiere (86 Prozent)
  • Aktien (82 Prozent)
  • Alternative Anlagen (56 Prozent)2 

Hierbei gilt es anzumerken, dass die aufsichtsrechtlichen Vorgaben für die Kapitalanlagen der Versicherer äusserst restriktiv sind, besonders für Investitionen in Infrastrukturen. So können zum Beispiel direkte Investitionen in Anlagen, die erneuerbare Energie erzeugen, dem gebundenen Vermögen nicht angerechnet werden. Damit sind viele Versicherer bezüglich der alternativen Anlagen stark eingeschränkt, obwohl die Branche grundsätzlich sehr an solchen langfristigen und nachhaltigen Anlagen interessiert ist.

Die Erhebung zeigt, dass die teilnehmenden Versicherer ihr Kapital grossmehrheitlich unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien platzieren. Weitere kleinere Versicherungsunternehmen, die für 2019 noch keinen Ausweis abgeben können, sind im Begriff, ihre strategische Positionierung und Ausrichtung auf verantwortliches Handeln zu überprüfen. Dabei unterstützt der SVV den Wissenstransfer zur Thematik innerhalb seiner Mitgliedgesellschaften.


2) Aufgrund der Komplexität dieser Anlagen (Hedgefonds o. ä.) ist es schwierig, die Nachhaltigkeit in jedem Fonds eindeutig zu belegen.

Die Berücksichtigung von ESG-Kriterien

25 der 32 Mitgliedunternehmen, die an der Umfrage teilnahmen, wendeten für ihre Anlageentscheide im Berichtsjahr 2019 ESG-Kriterien an. Die Versicherungsgesellschaften ermitteln mit diesen Kriterien einen Gesamteindruck beim Fällen eines Investitionsentscheides. Bei allen drei Dimensionen Umwelt, Soziales und Governance sind Ausschlusskriterien möglich: Eine Verletzung eines dieser Kriterien bedeutet eine Nichtinvestition. Diese Kriterien werden von den Gesellschaften individuell festgelegt.

Es besteht ein durchgehender Fokus auf die ökologische Verantwortung (E – Environmental): Die Themen Klima/Klimawandel und (erneuerbare) Energien stehen bei allen Unternehmen, die ESG-Kriterien anwenden, im Zentrum. Verschiedene Versicherer legen dabei einen Schwerpunkt auf Investitionen zur Vermeidung von Umweltkatastrophen und im Wassermanagement. Ein verbreitetes Ausschlusskriterium sind Stromversorgungsunternehmen mit Kohleanteil an der Stromerzeugung (Energiemix) über einem gewissen Wert (z. B. 30 Prozent) oder Bergbauunternehmen im Bereich Kohleabbau.

Die soziale Verantwortung ist in den 2019 angewandten ESG-Kriterien etwas weniger durchgehend verankert. Die Mehrzahl der Unternehmen, die ESG-Kriterien anwenden, berücksichtigen jedoch auch diese Kriterien: Dabei geht es insbesondere um Menschenrechtsfragen oder beispielsweise auch um international geächtete Waffen als Ausschlusskriterien. Weitere Fokusthemen einzelner Unternehmen sind Arbeitsrechte, Gesundheit, Nahrungssicherheit und Ausbildung (in dieser Reihenfolge).

Diejenigen Versicherer, die neben den ökologischen auch soziale Kriterien befolgen, fokussieren sich bezüglich der Governance auf Unternehmensführung. Einige Versicherer schliessen zusätzlich Diversität und ein Korruptionsranking mit ein.

Thematische Anlagen

Die SVV-Mitgliedgesellschaften wurden zu thematischen Schwergewichten bei ihren nachhaltigen Anlagen befragt. Eine oder mehrere Gesellschaften nannten folgende Themen, die sie besonders gewichten:

  • Impact Investing
  • Investitionen in nachhaltige Infrastruktur (erneuerbare Energieerzeugung, Green Buildings, soziale Infrastrukturen)
  • Nachhaltigkeits-Bonds (Green Bonds, Social Bonds, Sustainability Bonds)

Mit Impact Investing wollen die Gesellschaften als Aktionäre Einfluss auf die Strategie der Unternehmen nehmen, in die investiert wird. Untersuchungen zeigen, dass dies mehr als der Verzicht, in bestimmte Branchen zu investieren, bewirken kann. Mit der Investition in eine nachhaltige Infrastruktur kann ein Beitrag in den Umbau der Energieversorgung oder des Gebäudeparks hin zu einer nachhaltigen und kohlenstoffarmen Zukunft geleistet werden. Die verschiedenen Nachhaltigkeits-Bonds haben je nach Ausgestaltung einen etwas unterschiedlichen Schwerpunkt. Einige Gesellschaften konzentrieren sich eher auf eine sozial gerechte Produktionsweise, andere stärker auf klimafreundliche Unternehmen.

Mitgliedschaften bei Organisationen

Verschiedene globale, nationale und regionale Organisationen widmen sich der Nachhaltigkeit, wobei sich deren Herkunft und Motivationslage deutlich unterscheiden. Der Austausch über die Netzwerke im Nachhaltigkeitsbereich und die Orientierung an Standards ermöglichen es den Versicherungsunternehmen, die Bedürfnisse und Erwartungen an sie – beispielsweise in Bezug auf Umwelt- oder auch soziale Themen – besser zu kennen und auf Herausforderungen und Veränderungen schneller zu reagieren.

Vorwiegend die grösseren Schweizer Versicherer engagieren sich durch Mitgliedschaften und/oder aktive Mandate in diesen Organisationen.

Eine nicht abschliessende Liste umfasst:

 

Internationale Initiativen

 

Nationale Initiativen

 

Förderung von Standards und Transparenz

Transparenz zur Nachhaltigkeit

Neben diesem erstmaligen Verbandsreporting zu Nachhaltigkeit werden die SVV-Mitgliedgesellschaften, die bei ihren Kapitalanlagen ESG-Kriterien anwenden, im Geschäftsbericht 2019 explizit über ihre Aktivitäten und Anstrengungen bezüglich Nachhaltigkeit berichten respektive ihre bisherige Berichterstattung zu diesem Thema ausbauen. Grössere Versicherer werden dazu teils, wie auch schon in den vergangenen Jahren, einen separaten Nachhaltigkeitsbericht publizieren.

Darüber hinaus verpflichten sich alle Unterzeichnenden der Principles for Responsible Investment PRI zur Transparenz über ihren Nachhaltigkeitsansatz. Die entsprechenden Berichte sind auf der Website von PRI (www.unpri.org) abrufbar.

Klimaverträglichkeitstest des Bundesamts für Umwelt

Eine erfreulich grosse Anzahl der SVV-Mitgliedgesellschaften hat bereits im Jahr 2017 am Klimaverträglichkeits-Pilottest des Bafu teilgenommen. Damit erhielten sie Erkenntnisse zum CO2-Fussabdruck, den ihre Anlagepolitik hinterlässt. Die Ergebnisse waren bereits damals Anlass für verschiedene Versicherungsgesellschaften, ihre Anlagepolitik zu überdenken und anzupassen.

Die damals partizipierenden sowie weitere Gesellschaften wollen auch am Klimaverträglichkeitstest des Bafu 2020 teilnehmen.

Betriebsökologie

Nachhaltige und verantwortungsvolle Ressourcenallokation und entsprechendes Handeln sind bei vielen Mitgliedgesellschaften des SVV schon seit mehreren Jahren fester Bestandteil des betrieblichen Managements.

Ökobilanz als Messgrösse

Die Erhebung des SVV hat ergeben, dass 2019 bereits 25 Mitgliedgesellschaften des SVV eine interne Ökobilanz erstellen und die meisten davon diese auch jährlich publizieren.

Die Daten dieses Nachhaltigkeitsberichts basieren auf den Jahren 2017 und 2018. Für 2019 waren zum Zeitpunkt der Datenerhebung keine offiziellen Zahlen verfügbar. Zahlreiche Gesellschaften publizieren diese mit dem Geschäftsbericht 2019. Die grosse Mehrzahl der Versicherungsgesellschaften der Schweiz richtet sich bei der Bemessung ihrer Ökobilanz nach dem weltweit anerkannten Standard des Vereins für Umweltmanagement und Nachhaltigkeit in Finanzinstituten (www.vfu.de).

Energie-, Wasser- und Papierverbrauch wie auch CO2-Emissionen werden so quantifiziert und bilanziert. Letztere sind insbesondere durch geschäftlich bedingten Reiseverkehr verursacht. Daneben melden die einzelnen Gesellschaften viele andere Anstrengungen, um einerseits die direkten Emissionen zu reduzieren und anderseits die Mitarbeitenden zu eigenverantwortlichem, nachhaltigem Handeln anzuregen.

Ökobilanz

Die Auswertung der rapportierten Werte für 2017 und 2018 weist eine allgemeine Verbesserung der Ökobilanz auf. In der nachfolgenden Tabelle sind die Werte pro Vollzeitstelle (FTE) dargestellt.

  2017 2018 Einheit Relative Veränderung
Gesamtenergieverbrauch 4’156 3'963 in kWH/FTE –5 %

Heizenergieverbrauch

1’886 1'758 in kWH/FTE –7 %

Erneuerbarer Strom3

Anteil erneuerbarer Strom

3’408

82

3'205

79

in kWH/FTE

in Prozent

–6 %

–3 %

Wasserverbrauch 13 13 in m3/FTE ±0 %
Papierverbrauch 79 74 in kg/FTE –7 %
Abfallmenge 120 112 in kg/FTE –7 %

Geschäftsverkehr

davon Verkehrsträger Flug-km

davon Verkehrsträger Auto-km

davon Verkehrsträger ÖV-km

7'263

35

43

24

7'227

35

42

25

Km/FTE

in Prozent

in Prozent

in Prozent

 
–0,5 %

–2 %

–2 %

+5 %

CO2-Emissionen 2'584 2'451 in kg/FTE –5 %

3) Erneuerbarer Strom ist eine Teilmenge des Gesamtenergieverbrauchs und zum Teil in der Teilmenge Heizenergieverbrauch ebenfalls enthalten.


Insbesondere sind der Energieverbrauch sowie die CO2-Emissionen pro Vollzeitstelle im Jahr 2018 im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Ebenfalls deutlich reduziert werden konnten der Papierverbrauch und die Abfallmenge. Ausgewählte, konkrete Anstrengungen im Bereich Betriebsökologie zeigen hier Wirkung.

Created with Highstock 6.0.3in ProzentRelative Veränderung von 2017 auf 2018-4.6-4.6-6.8-6.8-6.8-6.8-0.1-0.1-6.8-6.8-7.4-7.4-0.5-0.5-5.2-5.2Relative VeränderungGesamtenergieverbrauchHeizenergieverbrauchErneuerbarer StromWasserverbrauchPapierverbrauchAbfallmengeGeschäftsverkehrCO2 Emissionen-8-7-6-5-4-3-2-10Highcharts.com

 

Konkrete Aktionen im Bereich der Betriebsökologie

Reduktion des Energieverbrauchs
Zahlreiche Versicherungsgesellschaften verfolgen an ihren Standorten konsequent die CO2-Absenkung durch geeignete Gebäudestrategien, wie bspw. die Umstellung auf erneuerbare Energiequellen wie Wasserkraft oder Photovoltaik oder die Zertifizierung nach Minergie-Standard.

Geschäftsreisen
Im Bereich Geschäftsreisen setzen die Gesellschaften vermehrt auf Nachhaltigkeit und offerieren ihren Mitarbeitenden über Homeoffice- und Teilzeitmodelle eine weitgehend flexible Gestaltung der Arbeitszeit. Die zunehmende Nutzung technischer Hilfsmittel wie Telefon-, Video- oder Online-Konferenzen helfen, Arbeitswege und Geschäftsreisen zu reduzieren.

Underwriting

Überblick

Das Kerngeschäft der Versicherungswirtschaft ist das Underwriting, also die Übernahme von Risiken, die Kundinnen und Kunden nicht tragen können oder wollen. Diese Aufgabe ist von zentraler volkswirtschaftlicher Bedeutung. Die Auslagerung von Risiken verschafft Sicherheit und setzt Kräfte frei für Innovation, Fortschritt und Wohlstand. Damit dies gelingt, muss die Versicherungswirtschaft bestehende und neue Risiken jederzeit erkennen, verstehen und beurteilen. Das Underwriting ist somit Dreh- und Angelpunkt des Versicherungsgeschäfts. Aus diesem Grund sind der Klimawandel und die mit ihm verbundenen Umwelt- und sozialen Risiken schon vergleichsweise früh auf dem Radar der global tätigen Versicherer und Rückversicherer erschienen.

Lösungen anbieten – Nachhaltigkeitsrisiken mindern

Zwei zentrale Herausforderungen stellen sich der Versicherungsbranche. Sie will im Umgang mit dem Klimawandel und seinen Folgen nachhaltige Lösungen anbieten. Und sie muss die Risiken, die sich durch die Verankerung der Nachhaltigkeit ergeben, erkennen, bewerten und mindern.

Wirksam vorbeugen
Naturkatastrophen zählen zu den teuersten Risiken des Versicherungs- und Rückversicherungsgeschäfts. Es liegt im Interesse aller Stakeholder, Naturkatastrophen wirksam vorzubeugen. Zwischen dem Klimawandel und der Häufigkeit, Intensität, Ausdehnung und Dauer von Naturkatastrophen besteht ein direkter, wissenschaftlich erhärteter Zusammenhang. Die Zunahme der jährlichen Schadenzahlungen infolge von Naturkatastrophen über die letzten zwanzig Jahre spiegelt diese Entwicklung im Versicherungsgeschäft. Diese extremen Naturereignisse führen nicht nur zu menschlichem Leid, sie sind auch für mehr materielle Schäden verantwortlich und erhöhen die Gefahr sozialer Not und Verwerfungen.

Instrumente wie ein Naturgefahrenradar können helfen, die Risikoexposition von Immobilien einzuschätzen. So können gezielt Schutzmassnahmen ergriffen werden. In exponierten Gebieten sind die Versicherer mit Erfolg daran, den Schutz vor Fluten und Sturm in die Gebäudeversicherungen zu integrieren. In Entwicklungsgebieten stärken die Versicherer mit dem Instrument der Mikroversicherungen die Widerstandsfähigkeit ärmerer Bevölkerungsschichten gegen soziale Risiken (s. Anhang).

Neben den physischen und sozialen Risiken, die der Klimawandel mit sich bringt, müssen die Versicherer auch die technischen und regulatorischen Risiken überwachen. Diese können sich für exponierte Unternehmen, etwa der Automobil- oder Energiebranche, aus dem Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft ergeben. Basierend auf ihren Risikoerfahrungen und Daten können die Versicherer diese Unternehmen beraten, Empfehlungen für das Risikomanagement abgeben und Wege zur besseren Verankerung der Nachhaltigkeit aufzeigen. Damit tragen Versicherer dazu bei, Reputationsschäden und existenzbedrohende Verluste zu vermeiden. Gerade im Energiebereich unterstützen die Versicherer mit innovativen Versicherungsprodukten die Verankerung einer nachhaltigen Energieversorgung.

Nachhaltigkeitsrisiken mindern
Mit Hilfe von Sustainability Risk Frameworks erfassen einige Versicherer die verschiedenen Nachhaltigkeitsrisiken. Sie entwickeln Strategien, um diese zu begrenzen und zu mindern. Mit Blick auf den Klimawandel und die nötige Reduktion der Treibhausgasemissionen liegt die fossile Energieproduktion als eines der bedeutendsten Nachhaltigkeitsrisiken auf der Hand. Das Management von Nachhaltigkeitsrisiken beschränkt sich aber nicht auf den CO2-Ausstoss. Auch die Nichteinhaltung der Menschenrechte, menschenwürdige Arbeitsbedingungen, Waffenproduktion, nukleare Proliferation, Minenprojekte und umweltbelastende, sozial zweifelhafte Infrastrukturbauten gehören zu den Nachhaltigkeitsrisiken, welche die Versicherer im Underwriting mitberücksichtigen.

Die Versicherer stehen aber auch in einer hohen gesellschaftlichen und sozialen Verantwortung, insbesondere in den Bereichen Lebens-, Kranken- und Unfallversicherung. Hier können Forderungen nach nachhaltigem Handeln und die soziale Verantwortung und/oder Verpflichtung der Versicherer, Risiken zu übernehmen, im Widerspruch stehen oder zumindest eine grosse Herausforderung darstellen. Darf Arbeitnehmenden einer kompromittierenden Unternehmung der Versicherungsschutz gegen Betriebsunfall oder in der Vorsorge verweigert werden?

Zielkonflikte

Bei der Verankerung der Nachhaltigkeit müssen Versicherer Ziel- und Interessenkonflikte sorgfältig abwägen. So kann es unter dem Gesichtspunkt des Klimawandels sinnvoll sein, ein bezüglich Ökologie schlecht bewertetes Unternehmen nicht mehr zu versichern. Doch muss ein Versicherer auch die Folgen für die Mitarbeitenden berücksichtigen, wenn er einem Betrieb die Sozial- und Krankenversicherung verweigert. Unter Berücksichtigung der ESG-Kriterien kann ein Verzicht der Versicherungen aus ökologischen Gründen nachhaltig, aus sozialen Überlegungen jedoch fragwürdig sein. Ein Blick auf die globale Wirtschaft zeigt, dass bezüglich Umwelt- oder Sozialstandards Unterschiede in den nationalen Gesetzgebungen bestehen. Beispielsweise ist die soziale Absicherung der Arbeitnehmenden in der Schweiz eine andere als in einem Land ohne obligatorische Unfallversicherung. Entsprechend zeigen diese Fragestellungen bezüglich sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit, dass sie für einen national oder regional tätigen Versicherer eine andere Relevanz aufweisen als für einen internationalen Rückversicherer.

Vor dem Hintergrund solcher Fragen sind die folgenden Umsetzungsstrategien zu bewerten, die Versicherer heute anwenden:

Ausschluss
Einzelne Versicherer verzichten darauf, gewisse Unternehmen oder Technologien zu versichern. Dazu definiert er Richtlinien und legt Ausschlusskriterien fest. Im Fokus auch der Öffentlichkeit steht vor allem der Ausschluss von CO2-intensiven Industrien und Projekten. Dabei kann ein Versicherungsunternehmen auch eine CO2-Quote festlegen, oberhalb derer er keinen Versicherungsschutz mehr anbietet (s. Anhang).

Engagement
Ein Versicherer definiert Ziele, die es zu erreichen und einzuhalten gilt. Einem Unternehmen, das die geforderten Bedingungen nicht erfüllt, wird der Versicherungsschutz jedoch nicht entzogen oder verwehrt. Vielmehr wird im Dialog mit ihm ein Weg gesucht, um die Ziele zu erreichen. Mit einem Unternehmen, das von Kohleenergie abhängig ist, kann beispielsweise darauf hingearbeitet werden, den Kohleanteil kontinuierlich zu senken und durch erneuerbare Energiequellen zu ersetzen. Damit kann das Unternehmen seine Reputation und seine Vermögenswerte schützen und seine Handlungsfreiheit in der Zukunft wahren.

Mit der Entwicklung neuer Versicherungsprodukte für Risiken neuer Technologien können die Versicherer diese zum Beispiel im Energiebereich fördern und damit zur Minderung der Klimarisiken beitragen. Dank dem Versicherungsschutz reduziert sich das finanzielle Risiko für die Investoren und Mittel werden frei für weitere Projekte (s. Anhang).