Sechs Fra­gen und Ant­wor­ten zum Gross­ri­si­ko Pan­de­mie

Listicle27. Januar 2021

Eine Pandemie verstösst gegen sämtliche Prinzipien der Versicherbarkeit: Sie ereignet sich weltweit zur selben Zeit, lässt sich kaum diversifizieren und ist in ihrer Schätzbarkeit stark eingeschränkt. Der Bund und die Versicherungswirtschaft suchen daher nach risikopartnerschaftlichen Lösungsansätzen, etwa in Form einer Poollösung. Damit liessen sich die wirtschaftlichen Folgen einer Pandemie in Zukunft besser abfedern.

Weshalb gibt es für eine Pandemie keine Versicherungslösung im herkömmlichen Sinn?

Eine Pandemie ereignet sich länderübergreifend und praktisch zur selben Zeit. Dadurch ist weder eine räumliche noch eine zeitliche Diversifizierung möglich, was eine Verteilung der Risiken verunmöglicht. Eine Pandemie verstösst also gegen sämtliche Prinzipien der Versicherbarkeit. Zudem entstehen die wirtschaftlichen Schäden nicht in erster Linie mit dem Ereigniseintritt, sondern aufgrund behördlich angeordneter Schutzmassnahmen. Die Schätzbarkeit des Schadenausmasses ist deshalb stark eingeschränkt.
 

Gibt es andere nicht versicherbare Grossereignisse?

Neben einer Pandemie gibt es weitere Risiken, die als schwer bis nicht versicherbar gelten. Beispiele dafür sind grossflächige Stromunterbrüche oder globale Cyberattacken sowie Nuklear- und Terrorrisiken. Auch in diesen Fällen greift eine herkömmliche Versicherungslösung nicht. Für derartige Grossrisiken müssen andere Lösungsansätze gefunden werden. So werden beispielsweise Nuklear- und Terrorrisiken sowie Naturgefahren mittels Poollösung versichert.

Der Lösungsansatz heisst «Risiko-Partnerschaft» – also ein Zusammenspiel zwischen Versicherten, Bund und Versicherungswirtschaft.

Wie sehen die Lösungsansätze bei einer Pandemie aus?

Die Versicherungswirtschaft hat in den vergangenen Monaten im Auftrag des Eidgenössischen Finanzdepartements mit Vertretern aus der Bundesverwaltung an möglichen Ansätzen gearbeitet. Aufgrund der privatwirtschaftlichen Unversicherbarkeit einer Pandemie heisst der Lösungsansatz «Risiko-Partnerschaft» – also ein Zusammenspiel zwischen Versicherten, Bund und Versicherungswirtschaft. Die Privatversicherer bringen in erster Linie ihre versicherungstechnische Expertise und ihr operatives Know-how ein. Dabei gibt es Optionen, die sich am etablierten Modell des Elementarschaden-Pools orientieren. Andere Länder stehen vor der gleichen Herausforderung und diskutieren Lösungsansätze zur besseren Absicherung von Pandemierisiken. Zur Diskussion stehen auch dort hauptsächlich Risiko-Partnerschaften beziehungsweise Poollösungen, bei denen der Staat den gewichtigsten Risikoanteil zu tragen hat.

Was kann die Versicherungswirtschaft konkret zu einer solchen Lösung beitragen?

Bei einer Poollösung mit staatlicher Beteiligung können die Privatversicherer die operative Umsetzung übernehmen. Die Versicherungswirtschaft kann also ihre Expertise im Vertrieb, in der Policierung, in der Kundenbetreuung und in der Schadenerledigung einbringen. Bei der Finanzierung kann sie jedoch nur eine begrenzte Rolle spielen; der öffentliche Sektor hätte den grössten Teil des finanziellen Risikos zu tragen. Eine Risiko-Partnerschaft ist der Schlüssel, um nichtversicherbaren Risiken zu begegnen. Sie schafft Vertragssicherheit und Transparenz darüber, welche Risiken gedeckt sind und welche nicht. Ein vertragliches Recht auf Auszahlung kann in Zukunft auch den Zugang zu Krediten und Beteiligungen erleichtern.

Was braucht es, damit eine solche Lösung gelingt?

Damit eine Versicherungslösung funktionieren kann, braucht es eine sehr hohe Versicherungsdurchdringung. Nur wenn sich möglichst alle Marktteilnehmer daran beteiligen, kommt eine sinnvolle Deckung zustande. Freiwilligkeit wird nicht funktionieren.

Wie lange dauert es, bis eine solche Risiko-Partnerschaft in Kraft treten könnte?

Der Schlussbericht der Projektgruppe mit Vertretern der Bundesverwaltung und der Versicherungswirtschaft ist seit Ende September 2020 bei Bundesrat Ueli Maurer. Es ist davon auszugehen, dass sich der Bundesrat im ersten Quartal 2021 dazu äussern wird. Frühestens dann startet der politische Prozess, der je nach Einschätzung hinsichtlich Sinnhaftigkeit und Machbarkeit mehr oder weniger Zeit beanspruchen wird. Dabei gilt es auch, die aktuellen verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Grundlagen zu berücksichtigen.