Die Gren­zen der Ver­si­cher­bar­keit von Pan­de­mie­ri­si­ken

News10. November 2020

Für die globale Versicherungswirtschaft ist die Corona-Pandemie ein schwerer Schadenfall, der grosse Deckungslücken im Bereich Betriebsunterbruchversicherung aufgezeigt hat. Pandemien werden auch künftig nur über eine Public Private Partnership «versicherbar» sein.

Ein Gastbeitrag von Kai-Uwe Schanz, The Geneva Association

Covid-19 hat massive Deckungslücken im Bereich Betriebsunterbruch offengelegt. Weniger als 1 Prozent der weltweiten volkswirtschaftlichen Verluste von geschätzt mehr als 4 Billionen US-Dollar allein für das Jahr 2020 werden von Betriebsunterbruch-Versicherern übernommen. Zwei Zahlen genügen, um zu zeigen, warum dem so ist. Mit globalen Prämien von circa 30 Milliarden US-Dollar ist Betriebsunterbruch ein Nischenbereich der Schaden- und Haftpflichtversicherung, die weltweit jährlich Prämien von circa 1,6 Billionen US-Dollar erwirtschaftet. Vor diesem Hintergrund ist es offensichtlich, warum Versicherer lange vor Covid-19 derartige Betriebsunterbruchrisiken ausgeschlossen haben.

Kai-Uwe Schanz, Geneva Association

Geschäftliche Pandemierisiken lassen sich im Gegensatz zu Naturkatastrophen global nicht diversifizieren: Kai-Uwe Schanz.

Der systemische Charakter von Geschäftsrisiken in einem globalen Pandemie-Szenario ist durch Covid-19 klar veranschaulicht worden. Die Verluste fielen weltweit an, zum Teil simultan und in der Regel über einen längeren Zeitraum. Die zugrundeliegenden politischen Entscheidungen sind für Versicherer schlicht nicht modellierbar. Zudem verletzt das unkontrollierbare Kumulrisiko die elementarsten Grundsätze der Versicherbarkeit und würde angesichts der Schadensummen die Solvabilität und Stabilität der Versicherungswirtschaft als Ganzes gefährden.

Aber es gibt auch Lichtblicke. Die Lebens- und Krankenversicherer haben die Covid-19-Feuerprobe bisher bestanden. Im Gegensatz zu Betriebsunterbruchrisiken waren pandemische Mortalitäts- und Morbiditätsrisiken im Allgemeinen nie ausgeschlossen. Übersterblichkeit ist ein modellierbares Risiko. Zudem gibt es einen natürlichen Risikoausgleich zwischen Tod und Langlebigkeit. Krankenversicherer wurden durch den Aufschub nicht dringender Eingriffe und Behandlungen entlastet. Dennoch sollte man nicht aus den Augen verlieren, dass in Zukunft sehr viel aggressivere Pathogene als Covid-19 auf die Menschheit zukommen und die Belastbarkeit der Lebens- und Krankenversicherer einer noch härteren Probe unterziehen könnten.

«Geschäftliche Pandemierisiken lassen sich global nicht diversifizieren. Entsprechend ist es wichtig, dass Versicherer zusammen mit Regierungen die richtigen Partnerschaftsmodelle entwickeln, um sich auf künftige extreme Risiken vorzubereiten.»

Neben der Unterscheidung zwischen nichtversicherbaren (systemischen) und versicherbaren Pandemierisiken ist es wichtig, diese von anderen Katastrophenrisiken abzugrenzen. Geschäftliche Pandemierisiken lassen sich global nicht diversifizieren, im Gegensatz zu Naturkatastrophen und Terrorismusrisiken zum Beispiel. Daher sind auch nicht alle Erfahrungen mit bestehenden teilstaatlichen Risikolösungen (z.B. Pools in den Bereichen Natur- und Terrorismusgefahren) auf mögliche künftige Pandemie-Strukturen anwendbar.

Trotz der offenkundigen Unmöglichkeit, volkswirtschaftliche Pandemierisiken auf die Bilanzen der Privatassekuranz zu nehmen, gibt es zahlreiche andere Optionen für die Versicherungswirtschaft, gesellschaftlich wertvolle Beiträge zur Vorbereitung auf künftige Pandemie zu leisten. Das Spektrum reicht hier von Massnahmen zur Risikoevaluation und -prävention bis hin zur Unterstützung staatlicher Stellen bei der Gestaltung, Distribution und Bedienung von Versicherungspolicen.

Zur Geneva Association:
Kai-Uwe Schanz, Dr. oec. HSG, Deputy Managing Director der Geneva Association, hat in Zusammenarbeit mit Professoren der Universität St. Gallen die Studie «An Investigation into the Insurability of Pandemic Risk» veröffentlicht.

Die Geneva Association ist ein globaler Verband von Versicherungsunternehmen. Ihre Mitglieder sind CEOs von Versicherungen und Rückversicherungen. Auf der Grundlage von Forschungsarbeiten, die in Zusammenarbeit mit Mitgliedern, akademischen Institutionen und multilateralen Organisationen durchgeführt werden, hat es sich die Geneva Association zur Aufgabe gemacht, wichtige Trends und Risikobereiche zu erkennen, zu untersuchen und gestützt darauf Empfehlungen für die Branche und politische Entscheidungsträger herauszugeben.