Der SVV ist für ei­ne ob­li­ga­to­ri­sche Erd­be­ben­ver­si­che­rung

FokusArchive06. November 2017

Erdbeben sind in der Schweiz selten. Wegen der dichten Besiedlung und der hohen Konzentration an Sachwerten sind sie jedoch die Naturgefahr mit dem grössten Zerstörungspotenzial. Dennoch gibt es keine obligatorische Erdbebenversicherung. Die öffentliche Hand, die Privatassekuranz und die kantonalen Gebäudeversicherer prüfen eine Einführung.

Die Schweiz verfügt über ein weltweit einzigartiges Versicherungssystem zum Schutz gegen die finanziellen Folgen von Elementarereignissen: Fast alle Risiken sind durch die kantonalen Gebäudeversicherungen oder die Privatversicherer versichert. Einzig gegen die finanziellen Folgen von Erdbeben besteht kein obligatorischer Versicherungsschutz.

Geringes Risiko – hoher Schaden

Dabei darf diese Gefahr keinesfalls unterschätzt werden: Das Erdbebenrisiko ist hierzulande zwar nur mittelhoch, aber aufgrund der dichten Besiedlung und der hohen Wertekonzentration könnten Erdbeben überall sehr grosse Schäden anrichten. Bereits heute bieten die meisten Versicherungsgesellschaften deshalb eine Erdbebenversicherung an und die meisten kantonalen Gebäudeversicherer stellen auf freiwilliger Basis einen Maximalbetrag von zwei Milliarden Franken zur Verfügung. Dieser Betrag wäre bei einem Grossereignis allerdings nicht einmal der sprichwörtliche Tropfen auf den heissen Stein.

Motion nach verheerenden Ereignissen

Nach den verheerenden Erdbeben in Neuseeland und Japan forderte Ständerat Jean-René Fournier 2011 in einer Motion eine obligatorische Erdbebenversicherung. Zum Vorschlag, der in der Folge erarbeitet wurde, konnten die kantonalen Gebäudeversicherer und andere nahestehende Organisationen zur Stellung nehmen.

Eine grosse Mehrheit sprach sich klar für eine obligatorische Erdbebenversicherung aus, und zwar für eine föderale Lösung: Die Kantone würden die Gesetzgebungen der kantonalen Gebäudeversicherungen um die Erdbebengefahr erweitern, und die Privatversicherungen würde die Erdbebenversicherung als 10. Elementarschadengefahr in der Aufsichtsverordnung AVO etablieren. Weil die Konsultation aber keine Einstimmigkeit ergab, empfahl der Bundesrat dem Parlament, die Motion abzuschreiben. Die Kommission Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerats UREK-S entschied jedoch, das Anliegen der Motion weiter zu verfolgen. Sie beauftragte die Regierungskonferenz Militär, Zivilschutz und Feuerwehr RK MFZ, die Möglichkeiten eines Konkordats noch einmal zu prüfen. Mittlerweile liegt ein Eckwertpapier der RK MFZ vor.

Lösungsvorschlag liegt vor

Die öffentliche Hand, die Privatversicherer und die kantonalen Gebäude-versicherer haben gemeinsam die Einführung einer flächendeckenden Erdbebenversicherung geprüft. Sie haben eine Lösung entwickelt, die die Finanzierung für den Wiederaufbau der Gebäude nach einem Erdbeben sicherstellt.

Diese Lösung beruht auf der Solidarität zwischen den drei Partnern und den Gebäudeeigentümern. Eine solche Rollenteilung macht den Versicherungsschutz äusserst günstig und für alle finanziell tragbar. Um die Folge eines Erdbebens bewältigen zu können, müssen Private, Unternehmen und die öffentliche Hand zusammenarbeiten und die Lasten teilen.

Die öffentliche Hand muss sich vor allem auf die Wiederherstellung der Infrastruktur konzentrieren, während Private und Unternehmen zusammen mit der öffentlich-rechtlichen und privaten Versicherungswirtschaft ihre Schäden beheben. Selbst wenn die öffentliche Hand einen Teil der von Privaten und Unternehmen erlittenen Schäden finanzieren wollte, würde dies an der Umsetzung scheitern. Das hat das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK erkannt. Deshalb verlangt es in seinem Bericht «Erdbebenrisikomanagement – Massnahmen des Bundes; Planung für den Zeitraum 2017–2020» ein Konzept für den Aufbau und den Betrieb einer Schadenorganisation in Zusammenarbeit mit den Versicherungen und den Kantonen.

Politischer Wille aller Betroffenen notwendig

Soll die obligatorische Erdbebenversicherung eingeführt werden, braucht es den politischen Willen aller Betroffenen. Dieser scheint noch nicht überall vorhanden zu sein. Damit bleibt weiterhin eine Lücke im umfassenden Schutz gegen die Naturgefahren in der Schweiz. Der SVV bedauert das, und mit ihm die gesamte Finanzbranche. Denn eine obligatorische Erdbebenversicherung würde auch ein beträchtliches Risiko in den Hypothekarportefeuilles von Banken vermindern. Heute sind Liegenschaften gegen sämtliche Naturkatastrophen versichert – ausser gegen Erdbeben.