Ef­fi­zi­en­te Ga­ran­tie für Qua­li­tät

Interview01. Juni 2022

Im teilrevidierten Versicherungsaufsichtsgesetz VAG spielt die Aus- und Weiterbildung der Versicherungsvermittler und -vermittlerinnen eine wichtige Rolle. Mathias Zingg, Präsident des Berufsbildungsverbandes der Versicherungswirtschaft VBV, sagt, welche Chancen er sieht.

Was bedeutet das teilrevidierte Versicherungsaufsichtsgesetz VAG für die Aus- und Weiterbildung der Versicherungsvermittler und -vermittlerinnen?

Mathias Zingg: Die neuen Regelungen sollen eine professionelle Berufsausübung und den Schutz der Versicherten sicher­ stellen. Mit dem neuen Gesetz kommt aber auch ein Umbruch. Ich sehe es vor allem als Chance für unsere Branche.
 

Welche?

Die Branche hat die grosse Chance, das regulatorisch Nötige mit dem personalpolitisch Gewünschten zu verbinden. Denn das Gesetz sieht bei der Entwicklung der Mindeststandards primär die Branche im Lead.

Mathias Zingg, VBV

Ein Mindeststandard in der Aus- und Weiterbildung verhindert schwarze Schafe und schafft Anreize, um fachlich «am Ball zu bleiben»: VBV Präsident Mathias Zingg.

Weshalb überlässt der Gesetzgeber der Branche diesen Spielraum?

Ein entscheidender Punkt ist sicher Cicero, das Gütesiegel für Vermittlerinnen und Vermittler von Versicherungen, die ihre Kompetenzen kontinuierlich weiterentwickeln. Dieses hat die Versicherungsbranche aus Eigeninitiative geschaffen, als Signal der Selbstregulierung. Die Versicherer haben gezeigt, dass sie dies können und wollen.
 

Wie soll die Aufteilung zwischen Gesetzgeber und der Branche neu aussehen?

Das Parlament hat in der Frühlingssession am 18. März 2022 die Teilrevision des Versicherungsaufsichtsgesetzes VAG verabschiedet. Die Ausgestaltung der Verordnung folgt erst. Sie wird voraussichtlich Eckwerte für die Mindeststandards vorgeben. Aber die Finma als Aufsicht möchte die Umsetzung dieser Standards in der Ausbildung und im regelmässigen Nachweis der Kompetenzen an eine Branchenorganisation auslagern.
 

Wäre das eine Aufgabe für den VBV?

Er wäre sicher geeignet, er führt ja bereits im Auftrag der Finma die Prüfungen der Versicherungsvermittler und ­-vermittlerinnen durch, die künftig Voraussetzung für jede Vermittlertätigkeit sein sollen. Es gab dazu auch schon erste Gespräche. Es hätte den Vorteil, dass die Branche nahe am Vollzug ist. Für unsere Unternehmen wäre es ein strategischer Hebel. Die Finma oder der Bund werden Vorschriften machen, damit alle Versicherungsvermittler und -­vermittlerinnen die notwendigen Fähigkeiten haben und jeweils auf dem aktuellen Stand sind. Die Definition der Standards und den Vollzug würden sie der Branche über­ lassen. Die Genehmigung dieser Standards läge wiederum bei der Finma oder beim Bund.
 

Und wenn diese nicht genügen …

… würde der Bund dies übernehmen.
 

Was ist der Vorteil für die Versicherer?  

Wichtig ist, dass die Mindeststandards auch für die Branche sinnvoll umsetzbar sind. Das heisst, sie sollen die Aus-­ und Weiterbildung so ausrichten können, dass die geprüften Fähigkeiten den Berufsleuten und den Kunden auch tatsächlich nützen und in die Unternehmensstrategien passen. Deswegen ist es wichtig, nahe am Vollzug zu sein. Für die Vermittler sollen die Anforderungen sinnvoll und leistbar sein, für unlautere Akteure hingegen eine Hürde, die sie nicht überwinden können. Das wäre die Idee, deren Umsetzung es jedoch im Laufe des Jahres 2022 im Rahmen eines breit abgestützten Projekts anzugehen gilt.
 

Der VBV könnte Cicero weiterführen?

Cicero hat seit der Einführung 2015 viel bewegt. Wir streben an, diese Erfahrungen nahtlos in die neue Welt zu überführen. Ein Systemwechsel ist wohl angezeigt.
 

Was soll sich ändern?

Cicero basiert auf einem freiwilligen Commitment der Privatversicherer. Die Absolventen erhalten für akkreditierte Weiterbildungskurse Punkte. Neu sollen gemäss dem revidierten VAG Mindeststandards gelten. Die in den kommenden Monaten zu prüfende Idee ist, dass zukünftig der Fokus auf einem Kompetenznachweis über die aktuellen Fähigkeiten liegt. Versicherungsvermittler würden dann regelmässig ihre Kompetenzen prüfen lassen. Wie sich die Person à jour hält, entscheidet sie selbst. So können unnötige Kurse für diejenigen Vermittler verhindert werden, welche die geforderten Fähigkeiten bereits haben. Wir sind überzeugt, dass das System damit effizienter wird und dem Konsumentenschutz besser dient.
 

Behindert die gesetzliche Einführung eines Mindeststandards in der Aus- und Weiterbildung den Wettbewerb?

Er verhindert schwarze Schafe und schafft Anreize, um fachlich «am Ball zu bleiben». Dies will der Gesetzgeber mit der Teilrevision des VAG erreichen. Das fördert das Image der ganzen Branche. Zudem ist dies im Interesse seriöser Anbieter. Davon profitieren auch die Versicherten.
 

Wie profitieren die Versicherten von gut ausgebildeten Vermittlern?

Die Weiterbildung soll nicht auf theoretischem Wissen fokussieren, sondern auf der effektiven Beratungssituation. Eine gute Beratung ist die Basis für eine langfristige Kundenbeziehung. Das ist der grosse Vorteil des direkten Kontakts. Das ist übrigens eine besondere Situation der Versicherungen: die Kundennähe. In fast jeder Schweizer Gemeinde findet sich eine Versicherungsagentur. Es ist ein filigranes Netz. Vermittlerinnen und Vermittler beraten Familien, Einzelpersonen, Menschen und Unternehmenskunden.