Klar de­fi­nier­te Mehr­leis­tung

Interview01. Juni 2022

Seit Anfang 2022 gilt in der Spitalzusatzversicherung ein neues Branchen- Framework. Es soll Transparenz und Nachvollziehbarkeit sicherstellen. Daniel Jontofsohn, Leiter Bereich Kranken- und Unfallversicherung beim SVV, spricht über Vorteile und Herausforderungen. 

Welchen Zweck verfolgt das Branchen-Framework, das seit Anfang 2022 in der Spitalzusatzversicherung gilt?  

Die Krankenversicherungsbranche gestaltet die Mehrleistungen der Spitalzusatzversicherung neu. Unter dem Dach des Schweizerischen Versicherungsverbandes SVV hat eine Projektgruppe dazu ein Regelwerk erarbeitet und mit den Leistungserbringern abgeglichen. Das Regelwerk schafft eine neue Generation von Spitalzusatzversicherungsverträgen, die auf dem Mehrleistungsprinzip beruhen.
 

Was bedeutet Mehrleistungsprinzip?

Leistungen, die über die Grundversicherung hinausgehen, sollen eindeutig definiert und bewertet werden können. Diese Umstellung steht im Einklang mit den Erwartungen der Aufsichtsbehörden an Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Davon profitieren die Patientinnen und Patienten wie auch die Versicherer.

Daniel Jontofsohn_Teambild

Alle Beteiligten müssen erkennen können, welche Behandlung der Patient erhalten hat und was sie wert ist: Daniel Jontofsohn.

Was macht die Definition der Mehrleistung schwierig?

In der Grundversicherung gibt es einen klar definierten Leistungskatalog. Der Mehrleistungskatalog der Krankenzusatzversicherung ist dagegen offener formuliert. Was ist ein privates Zimmer wert? Oder was kostet die Verfügbarkeit eines Chefarztes? Mehrleistungen orientieren sich an den Bedürfnissen der Patienten. Sie sollen im Verhältnis zu den Grundleistungen einen empfundenen Mehrwert generieren.
 

Und sie sollen transparent ausgewiesen sein.

Alle Beteiligten müssen erkennen können, welche Behandlung der Patient erhalten hat und was sie wert ist.
 

Für Laien sind diese Rechnungen nicht selbsterklärend.  

Ein Beispiel, was transparenter wird: Bisher konnte auf einer Rechnung beispielsweise nur die Nummer des Arztes oder der Ärztin stehen. Neu muss der Name auf der Rechnung stehen. So kann der Patient einfach kontrollieren, wer welche Behandlungen die Chefärztin durchgeführt hat.
 

Was waren die Herausforderungen bei der Ausarbeitung?  

Wir haben ein komplexes Mehrparteienverhältnis: Versicherer, Leistungserbringer und Aufsicht müssen mitmachen. Aber auch Tarifmodellanbieter, Patienten und Versicherte sind betroffen.
 

Erarbeitet haben das Branchen-Framework aber die Spitalzusatzversicherer?

Die Versicherer sind die Treiber. Erarbeitet haben wir es in enger Abstimmung mit den Spitalverbänden sowie Aufsichtsbehörden und anderen Beteiligten.
 

Bis 2024 soll es umgesetzt sein. Wo stehen wir?

Im Moment laufen die ersten Verhandlungsrunden. Praktisch alle Verträge mit den Spitälern müssen die Versicherer auf Basis des Branchen­-Frameworks neu aushandeln.
 

Behindert das Regelwerk nicht den Wettbewerb?

Nein. Das Branchen­-Framework gibt nur den Rahmen vor, wie Leistungen zu definieren sind, wie ein Tarifkonstrukt aus­ sehen soll, damit es transparent und nachvollziehbar ist. Die Preise bestimmen die Leistungserbringer auch zukünftig mit den Versicherern. Damit keine wettbewerbsrechtlichen Vorgaben verletzt werden, sind wir übrigens auch in Abstimmung mit der Wettbewerbskommission Weko.
 

Ist die Zusatzversicherung überhaupt noch gefragt?

Ja, absolut. Die Trennung zwischen Halbprivat und Privat bricht zwar auf. Aber der Zugang zu neuen innovativen Behandlungsmethoden, ein schnellerer Leistungszugang, die Wahl und die Verfügbarkeit der Ärztinnen und Ärzte, ausserkantonale Behandlungen, die Hotellerie – all dies macht eine Zusatzversicherung attraktiv und einzigartig.