Ver­si­che­rungs­bran­che über­durch­schnitt­lich vom Fach­kräf­te­man­gel be­trof­fen

Studien04. Juli 2023

In der Versicherungsbranche weisen 30 von 38 untersuchten Berufen Anzeichen eines Fachkräftemangels auf. Zu diesem Schluss kommt die Studie «Fachkräftesituation in der Versicherungswirtschaft» des wissenschaftlichen Instituts BSS. Mehrere Indikatoren weisen darauf hin, dass die Branche damit stärker betroffen ist als die Gesamtwirtschaft. Treiber für den Fachkräftemangel sind insbesondere die hohen Qualifikationsanforderungen, der demografische Wandel sowie das Beschäftigungswachstum der Branche.

Übersteigt die Nachfrage nach Arbeitskräften einer bestimmten Qualifikation das Angebot auf dem Arbeitsmarkt, spricht man von einem Fachkräftemangel. Überdurchschnittlich davon betroffen ist die Versicherungswirtschaft: Im untersuchten Zeitraum 2018–2020 weisen laut einer BSS-Studie in 30 von 38 Berufen verschiedene Indikatoren auf einen Fachkräftemangel hin. 73 Prozent der Erwerbstätigen der Branche arbeiten in einem Beruf mit Hinweis auf Fachkräftemangel. Besonders betroffen sind die Berufshauptgruppen «Führungskräfte», «Intellektuelle und wissenschaftliche Berufe» sowie «Techniker und gleichrangige nichttechnische Berufe». Der Fachkräftebedarf wurde anhand folgender Indikatoren ermittelt:

  1. Zuwanderungsquote (eine hohe Zuwanderung deutet auf einen erhöhten Fachkräftebedarf hin)
  2. Arbeitslosenquote (eine tiefe Quote deutet auf einen erhöhten Fachkräftebedarf hin)
  3. Quote der offenen Stellen (eine hohe Quote deutet auf einen erhöhten Fachkräftebedarf hin)
  4. Beschäftigungswachstum (ein starkes Wachstum deutet auf einen erhöhten Fachkräftebedarf hin)
  5. Ersatzbedarf (ein hoher Wert deutet auf einen zukünftig erhöhten Fachkräftebedarf hin)
  6. Qualifikationsanforderungen (bei einem hohen Wert ist es weniger wahrscheinlich, dass ein erhöhter Fachkräftebedarf durch fachfremde Arbeitskräfte gedeckt werden kann)
     
Fachkräfteindex nach Berufen der Versicherungswirtschaft

Fachkräfteindex nach Berufen der Versicherungswirtschaft

In vielen Berufen der Versicherungsbranche ist bereits heute das Fachkräftepotenzial überdurchschnittlich ausgeschöpft. Das heisst, dass sowohl die Arbeitsmarktbeteiligung als auch der Beschäftigungsgrad im Vergleich zur Gesamtwirtschaft bereits hoch sind. Heruntergebrochen auf die einzelnen Indikatoren zieht die Studie folgende Bilanz:

  • Alle Berufe der Versicherungswirtschaft wiesen im Durchschnitt der Jahre 2018–2020 überdurchschnittliche Qualifikationsanforderungen auf. Der Fachkräftebedarf kann in diesen Fällen nicht einfach durch fachfremde Arbeitskräfte gedeckt werden. Die Berufsausübung setzt ein gewisses Mass an Aus- und Weiterbildung voraus. 
  • 33 von 38 (87 %) Berufen der Versicherungswirtschaft wiesen im Betrachtungszeitraum 2018–2020 eine unterdurchschnittliche Arbeitslosenquote auf, was als Hinweis auf einen Fachkräftemangel gedeutet werden kann. Relativ hohe Arbeitslosenquoten und damit keine Hinweise auf einen Fachkräftemangel finden sich in Berufen der Berufshauptgruppe «Bürokräfte und verwandte Berufe».
  • In 25 von 38 (66 %) Berufen der Versicherungswirtschaft ist die durchschnittliche Anzahl der Erwerbstätigen zwischen 2012 und 2014 sowie 2018 und 2020 überdurchschnittlich stark angestiegen. Das überdurchschnittliche Beschäftigungswachstum kann eine bereits angespannte Fachkräftesituation noch verstärken.
  • 15 von 38 (39 %) Berufen der Versicherungswirtschaft wiesen im Betrachtungszeitraum 2018–2020 einen überdurchschnittlichen Ersatzbedarf auf. In diesen Berufen werden die in den kommenden Jahren zu erwartenden altersbedingten Austritte aus dem Arbeitsmarkt nicht (vollständig) durch Fachkräfte aus der jüngeren Alterskohorte ersetzt. Dies kann als Hinweis darauf gedeutet werden, dass sich die Fachkräftesituation in den betroffenen Berufen in Zukunft noch akzentuieren wird. 
  • 14 von 38 (37 %) Berufen der Versicherungswirtschaft wiesen im Betrachtungszeitraum 2018–2020 eine überdurchschnittliche Zuwanderungsquote auf. Dies wird als Hinweis auf einen Fachkräftemangel gedeutet, da zur Deckung des Fachkräftebedarfs das inländische Angebot an Fachkräften in der Versicherungswirtschaft (bezogen auf die Anzahl und/oder die Qualifikationen) nicht ausreichend ist. Insbesondere Berufe der Berufshauptgruppe «Intellektuelle und wissenschaftliche Berufe» wiesen eine überdurchschnittliche Zuwanderungsquote auf. 
  • 13 von 38 (34 %) Berufen der Versicherungswirtschaft wiesen im Betrachtungszeitraum 2018–2020 eine überdurchschnittliche Quote der offenen Stellen auf. Viele offene Stellen (bezogen auf die Anzahl der Erwerbstätigen) deuten auf einen hohen Fachkräftebedarf hin und können als Hinweis auf einen Fachkräftemangel gedeutet werden.

Demografischer Wandel als Treiber

Der demografische Wandel verstärkt den Fachkräftemangel in den nächsten Jahren zusätzlich. Gesamtwirtschaftlich betrachtet gehen in den Jahren 2023–2030 rund 18 Prozent der Beschäftigten in Pension. In der Versicherungsbranche trifft der demografische Wandel die Berufsgruppe «Techniker und gleichrangige nichttechnische Berufe», zu der auch Informatikerinnen und Informatiker gehören, am stärksten: Die Pensionierungsquote beträgt dort 32 Prozent. Über alle Berufsgruppen beträgt die Pensionierungsquote der Branche 16 Prozent und liegt damit leicht unter dem Durchschnitt. Dennoch stellt die demografische Entwicklung der Schweizer Bevölkerung auch für die Versicherer eine der grössten Herausforderungen der nächsten Jahre dar.

Lösungsansätze vorhanden

Bei der demografischen Entwicklung setzen sogleich auch die Lösungsansätze an: Die Rahmenbedingungen für ältere Arbeitnehmende sollen verbessert werden, sodass diese länger im Arbeitsprozess bleiben. Auch das unausgeschöpfte Fachkräftepotenzial der Frauen soll besser genutzt werden können. Auch hierfür sind attraktive Rahmenbedingungen erforderlich. Die Assekuranz will zudem in Aus- und Weiterbildung investieren und generell die Attraktivität der Branche und der Berufe erhöhen. Auf Ebene einzelner Unternehmen bedeutet dies vor allem neue Arbeits- und Führungsmodelle, neue Ansätze im Recruiting sowie die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. 

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