Fo­rum Assu­ran­ces 2023: «Hat die Schweiz das Ge­sund­heits­sys­tem, das sie ver­dient?»

Event01. November 2023

Das Forum Assurances, die jährliche Veranstaltung des SVV in der Romandie, brachte Privatversicherer und Gäste aus Wirtschaft und Wissenschaft zum Thema Gesundheit zusammen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer befassten sich mit dem Wert unseres Systems und dem Beitrag der Krankenzusatzversicherung. Sie versuchten, Lösungen zu skizzieren, um die Qualität unseres Gesundheitssystems zu erhalten und gleichzeitig den Kostenanstieg zu bremsen.

Debat Fleruy Boyer Arbter Taboada Forum Assurances

Animierte Diskussion zwischen den Panelisten des Forum Assurances (Philippe Fleury, Thomas Boyer, Urs Arbter, Diego Taboada, v. l. n. r.); Modration: Nathalie Randin; Photos: Tommaso Lodde.

Um über nachhaltige Lösungen für unser Gesundheitssystem nachzudenken, konnte das Forum Assurances auf prominente Referenten und Podiumsteilnehmer zählen: Thomas Boyer, CEO der Groupe Mutuel und Mitglied des SVV-Vorstands, Philippe Fleury, Generalsekretär der Fédération des Entreprises Romandes FER und Generaldirektor der FER-Genf, Diego Taboada, Senior Researcher bei Avenir Suisse, und Urs Arbter, Direktor des SVV. Die richtigen Fragen stellen, pragmatisch handeln und sich nicht von vermeintlich guten Ideen verführen lassen: Hier werden die Wege aus der Sackgasse zu finden sein.

 

Akteure zusammenbringen, um gemeinsam voranzukommen

Thomas Boyer, der seit Kurzem auch den Vorsitz des Ausschusses Kranken- und Unfallversicherung des SVV innehat, wirft einen nüchternen Blick auf die Herausforderungen. Nur wenn Ineffizienzen abgebaut werden und auf Qualität gesetzt wird, kann der Anstieg der Gesundheitskosten gebremst werden – ein Anstieg, der angesichts der demografischen Entwicklung und der Innovationen in der Pflege unausweichlich ist. «Die Probleme des Gesundheitssystems sind bekannt, die Lösungen grösstenteils auch», betont Thomas Boyer. Er ruft die Akteure des Gesundheitssystems dazu auf, Differenzen zu überwinden und zusammenzuarbeiten, um gemeinsam konkrete Massnahmen zu definieren, die dem Bundesrat und anschliessend dem Parlament vorgelegt werden können. «Es liegt an uns Akteuren, proaktiv zu sein und diese Lösungen in die Politik zu bringen.»

Arbter Taboada Forum Assurances

Diego Taboada (rechts) plädiert für mehr qualitäts- und wertorientierte Anreize bei der Leistungserbringung.

Wie es ist, wenn Akteure zusammenkommen, um gemeinsam Lösungen voranzutreiben, hat Urs Arbter selbst erlebt. Unter der Ägide des SVV haben sich die Krankenzusatzversicherer zusammengefunden, um gemeinsam Grundsätze zu definieren, denen künftig alle Verträge mit Leistungserbringern im Bereich der Krankenzusatzversicherung entsprechen müssen. Die definierten Richtlinien sorgen für Klarheit und Transparenz bei der Abrechnung von Zusatzleistungen und fördern den Wettbewerb unter den Versicherern und unter den Leistungserbringern zum Vorteil der Versicherten. «In der Schweiz haben sich rund 2,5 Millionen Versicherte für eine Krankenzusatzversicherung entschieden, das sind fast 30 Prozent aller Versicherten. Diese Personen profitieren insbesondere von der freien Arztwahl, einem besseren Zugang zu neuen Therapieformen, neuen Produkten, Dienstleistungen und Behandlungsmethoden», erinnert Urs Arbter. Der Direktor des SVV bekräftigt auch die Bedeutung der Krankenzusatzversicherungen für das Schweizer Gesundheitssystem: «Die Krankenzusatzversicherungen finanzieren rund einen Viertel aller Leistungen des Schweizer Gesundheitssystems bei Ärzten und Spitälern, exklusive Medikamente. Sie sind ein Motor für Innovation. Und Innovation ist der Schlüssel zu einem System, das auf Fortschritt und Qualität beruht.» Urs Arbter lehnt Ideen, die zu einem Zwei-Klassen-Gesundheitssystem führen, wie etwa eine Budgetdeckelung, entschieden ab und betont die Bedeutung eines auf «Value» basierten Systems.

Für einen Qualitätswettbewerb im Gesundheitssystem

Für Diego Taboada, Forscher bei Avenir Suisse, sind es Qualität und Wert, die im Mittelpunkt eines effizienten Gesundheitssystems stehen. «Wir kennen die Kosten des Gesundheitssystems auf den Rappen genau, derzeit sind es fast 90 Milliarden Franken. Doch wir haben kaum Informationen über seinen Wert oder seine Qualität», stellt er fest. Die Qualität sollte jedoch im Interesse aller sein und würde eine Optimierung der Ressourcen ermöglichen, die in einem solidarisch und kollektiv finanzierten System von wesentlicher Bedeutung ist. Ohne die Möglichkeit, Qualität zu messen, kann auch der Return on Investment nicht erfasst und können die richtigen Anreize innerhalb des Systems nicht geschaffen werden. «Es müssten Anreize geschaffen werden, die es ermöglichen, den Wert anstelle der Menge zu entlohnen. Statt einem Kostenwettbewerb muss ein echter Qualitätswettbewerb etabliert werden», folgert der Forscher, dessen Publikation über den Wert im Gesundheitswesen kürzlich von Avenir Suisse veröffentlicht wurde.

Philippe Fleury

Laut Philippe Fleury spielt die Gesundheit eine wichtige volkswirtschaftliche Rolle.

Auch für die Wirtschaft ist die Gesundheit von grosser Bedeutung. Philippe Fleury betont, dass Unternehmer der Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zunehmend Aufmerksamkeit schenken und sich immer aktiver an Programmen zur Prävention und zur Gesundheitsförderung beteiligen – ein Gewinn für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Der Direktor der Fédération des Entreprises Romandes FER betont auch die wirtschaftliche Bedeutung des Gesundheitssektors, der qualifizierte Arbeitsplätze schafft, ausbildet und zum Standort Schweiz beiträgt. Auf die Frage nach seinen Ambitionen als Direktor der grössten Westschweizer Wirtschaftsorganisation gesteht Philippe Fleury, dass er sich eine grössere Präsenz der Romandie in der nationalen Debatte wünscht: «Die Unternehmer in der Romandie erleben die gleichen Schwierigkeiten und Erfolge, aber manchmal mit einer anderen Sensibilität oder regionalen Besonderheiten. Unser Bestreben ist es, die Romandie ins politische Bern, aber auch ins wirtschaftliche Zürich zu bringen, damit sie ihre Rolle auf nationaler Ebene vollumfänglich wahrnehmen kann.»

Die Privatassekuranz, ein Pfeiler der Volkswirtschaft

Das Forum Assurances bot Urs Arbter zudem die Gelegenheit, auf einige aktuelle Themen für den Versicherungssektor einzugehen. Im Rahmen seines Engagements für einen starken Finanzplatz Schweiz erinnerte der Direktor des SVV an einige Unterschiede in den Geschäftsmodellen der beiden grossen Akteure des Finanzsektors, der Versicherungen und der Banken, und schloss die Möglichkeit eines «Too big to fail»-Szenarios im Versicherungssektor aus. Darüber hinaus betonte er erneut die Bedeutung der Reform der beruflichen Vorsorge, über die das Volk im nächsten Jahr abstimmen wird: «Die Gesellschaft hat sich weiterentwickelt, mit neuen Arbeitsmodellen, denen Rechnung getragen werden muss. Die Rahmenbedingungen sind nicht mehr die gleichen. Die demografische Entwicklung stellt die Nachhaltigkeit unserer Renten auf die Probe. Die wichtigsten Akteure der Wirtschaft unterstützen die Reform. Sie anerkennen, dass die Reform in der Lage ist, die derzeitige Belastung der Erwerbstätigen zu korrigieren und die Situation eines Teils der Bevölkerung, insbesondere der Teilzeitbeschäftigten, die häufig Frauen sind, zu verbessern. Auch sehen sie klar, dass die Konjunktur oder die Inflation nichts an den strukturellen Problemen ändern werden, die diese Reform notwendig machen.»

Urs Arbter spricht am Forum Assurances

Urs Arbter betont die grosse Bedeutung optimaler Rahmenbedingungen für die nachhaltige Stärkung des Wirtschafts- und Finanzplatzes Schweiz.

«Unser Sektor ist stabil. Er ist langfristig ausgerichtet. Indem er Privatpersonen und Unternehmen unterstützt, fördert er den Wohlstand unserer gesamten Wirtschaft und trägt fünf Prozent zum BIP der Schweiz bei. Um diese unterstützende Rolle weiterhin zu spielen, ist es wichtig, wirtschaftliche Freiheit und Regulierungsbedarf miteinander in Einklang zu bringen, wobei wir darauf achten müssen, gute Rahmenbedingungen zu erhalten und übermässigen interventionistischen Schüben zu widerstehen», so Urs Arbter abschliessend.

Video: Erleben Sie die Höhepunkte des Forum Assurances: Sehen Sie sich die Standpunkte der vier Panelisten an.