Urs Ber­ger über die Ent­so­li­da­ri­sie­rung

NewsArchive22. November 2017

Am 15. Mai 2017 sprach SVV-Präsident Urs Berger auf Einladung der Statistisch-Volkswirtschaftlichen Gesellschaft in Basel zum Thema «Kämpfen die Versicherer in der heutigen Zeit der Entsolidarisierung auf verlorenem Posten?». Vor prominentem Publikum aus Politik und Wirtschaft führte Urs Berger seine Zuhörerinnen und Zuhörer über verschiedene Aspekte an das Thema heran. «Bei Versicherungen spielen Emotionen eine grosse Rolle», sagte Urs Berger zum Auftakt. Die Versicherungswelt ist im Wandel. Solidarität ist der Grundgedanke der Versicherung, heute werden jedoch die Produkte immer individueller und durch neue Technologien sind Kundinnen und Kunden immer besser informiert.

Versicherer als Stütze des Finanzplatzes

Die Versicherer gehören zu den acht bedeutendsten Branchen der Schweiz. Sie sind solide, gut positioniert und verzeichnen in den letzten 20 Jahren eine deutlich stärkere Entwicklung als die Banken. Heute erwirtschaften die Versicherer fast 50 Prozent der Wertschöpfung auf dem Schweizer Finanzplatz.

Herausforderungen bleiben hoch

Versicherungen müssen im Tiefzinsumfeld nach Anlagen suchen, die langfristige und stabile Erträge bieten. Regulierung, Anlagenotstand oder politische Rahmenbedingungen wie der Umwandlungssatz beschäftigen die Versicherer. «Der politische Einfluss kann auch zu einer Entsolidarisierung führen», sagte Urs Berger. Dabei erinnerte er an die damalige Kampagne des «Rentenklaus» und gleichzeitig, dass wir als Gesellschaft immer älter werden.

Digitale Revolution und Cyber-Risiken

Die Digitalisierung und die daraus folgende Entsolidarisierung gefährden das Solidaritätsprinzip, auf dem Versicherungen auch heute noch beruhen. Die Digitalisierung bricht die Wertschöpfungskette auf. So bietet Google Beratungen an und Facebook weiss mehr über uns als wir denken. «Daten sind der Rohstoff der Digitalisierung», sagte der SVV-Präsident. Erfolg in der digitalen Welt habe heute viel damit zu tun, welche Daten gesammelt und wie genutzt werden. Hier sei die Datensicherheit zentral. Dies gälte genauso bei Cyber-Risiken. Die Versicherer reagieren auf die neuen Herausforderungen und Chancen: Solange man jedoch das Ausmass der Schäden nicht kenne, bleibt es auch schwierig ein Produkt zu entwickeln. Wenn der Mensch völlig individualisiert wird und wir alles über die Zukunft wissen, wer würde dann noch eine Lebensversicherung abschliessen wollen? Das ist die relevante Frage. Denn wenn wir Wetterprognosen so präzise machen könnten, dass wir wissen, wo und wann es hageln wird, wer braucht dann noch eine Hagelversicherung?

Entsolidarisierung versus Sharing Economy

Teilen statt haben ist seit längerer Zeit im Trend – ein Gegentrend zur Entsolidarisierung. Dieser Wechsel von teilen statt besitzen wirkt sich auch auf das Versicherungsgeschäft aus. Sind Kurzzeitversicherungen möglich und wie berechnet sich eine solche Prämie? Bundesrat und Parlament haben sich mit den Regulierungsfragen rund um die Sharing Economy auseinandergesetzt. In den letzten Monaten wurde im Parlament eine ganze Reihe neuer Vorstösse dazu eingereicht. Sollte der Bund die Sharing Economy stärker regulieren?

«Ziel von Regulierung ist in den meisten Fällen der Konsumentenschutz», sagte Urs Berger. Aus Sicht des Konsumentenschutzes braucht es in der Sharing Economy keine Regulierungsvorschriften mehr, denn es herrsche Selbstregulierung dank digitalen Bewertungs- und Monitorsystemen. Dies schaffe Transparenz. Wer sich nicht vorbildlich verhält, kein sauberes Fahrzeug oder einen schlechten Fahrstil hat, überlebt nicht lange, denn dies schlägt sich in seinen Bewertungen nieder. Bei einem Fahrer mit zwei oder drei Sternen wird kaum noch ein Kunde einsteigen. Dadurch wird die Dienstleistung in der Sharing Economy letztlich nicht mehr von Kontrolleuren geprüft, sondern von den Konsumenten.

Ob digitale Revolution, Herausforderungen für die Versicherungswirtschaft oder der Trend zum Teilen – das Bedürfnis nach Schutz und Versicherungen bleibt auch künftig bestehen.