Sechs Fra­gen zum Wech­sel­herbst – und was er für un­ser Ge­sund­heits­sys­tem be­deu­tet

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Steigende Prämien, neue Modelle, viele Fragen: Wer in der Schweiz krankenversichert ist, wird jedes Jahr im Herbst mit wichtigen Entscheidungen konfrontiert. Dies bietet die Chance, genauer hinzuschauen: auf die Unterschiede zwischen den Krankenversicherern, auf die Servicequalität und die verschiedenen Modelle, die zu den eigenen Bedürfnissen passen.

In diesem Beitrag beantworten wir sechs alltagsnahe Fragen, die helfen, das Krankenversicherungssystem besser zu verstehen und die Bedeutung von Wettbewerb im Gesundheitssystem greifbar zu machen.

Warum lohnt sich ein Krankenkassenvergleich?

Der jähr­li­che Prä­mi­en­ver­gleich im Herbst ist ei­ne Mög­lich­keit für Ver­si­cher­te, ih­re per­sön­li­che Ver­si­che­rungs­ab­de­ckung zu über­prü­fen und ge­ge­be­nen­falls zu op­ti­mie­ren. Die Er­fah­rung zeigt: Ein Wech­sel des Ver­si­che­rers kann in vie­len Fäl­len zu ei­ner spür­ba­ren Prä­mi­en­er­spar­nis füh­ren – ge­ra­de, weil die Ver­si­che­rer im Wett­be­werb zu­ein­an­der­ste­hen und mit at­trak­ti­ven An­ge­bo­ten um Kun­din­nen und Kun­den wer­ben.

Nebst ei­nem all­fäl­li­gen Wech­sel des Ver­si­che­rers ist es auch mög­lich, die Fran­chise an­zu­pas­sen und ein an­de­res Ver­si­che­rungs­mo­dell zu wäh­len, das bes­ser zu den in­di­vi­du­el­len Be­dürf­nis­sen passt – et­wa im Hin­blick auf di­gi­ta­le An­ge­bo­te oder in­te­grier­te Ver­sor­gungs­mo­del­le.
Die­se Viel­falt an Mo­del­len und Wahl­frei­heit sind das Re­sul­tat ei­nes funk­tio­nie­ren­den Wett­be­werbs un­ter den Kran­ken­ver­si­che­rern. Der Wett­be­werb för­dert In­no­va­ti­on, Ef­fi­zi­enz und Ser­vice­qua­li­tät. Er sorgt da­für, dass sich die Ver­si­che­rer kon­ti­nu­ier­lich wei­ter­ent­wi­ckeln – im In­ter­es­se der Ver­si­cher­ten und der lang­fris­ti­gen Sta­bi­li­tät des Ge­sund­heits­sys­tems.

Be­son­ders aus­ge­prägt ist die­se Viel­falt üb­ri­gens im Be­reich der Zu­satz­ver­si­che­run­gen. Hier bie­ten Kran­ken­ver­si­che­rer ei­ne brei­te Pa­let­te an Leis­tun­gen und Ser­vices an – von zu­sätz­li­chen Be­hand­lungs­me­tho­den über Ho­tel­le­rie­leis­tun­gen für mehr Kom­fort in Spi­tä­lern bis hin zu prä­ven­ti­ven Ge­sund­heits­pro­gram­men. Ge­ra­de in die­sem Be­reich zeigt sich, wie Wett­be­werb In­no­va­ti­on und Kun­den­nä­he för­dern kann. 
Da die Leis­tun­gen der Zu­satz­ver­si­che­rung nicht ge­setz­lich vor­ge­schrie­ben sind, lohnt sich ein Ver­gleich der An­ge­bo­te be­son­ders – so­wohl in­halt­lich als auch preis­lich. Wer sich ak­tiv in­for­miert, kann ein An­ge­bot fin­den, das den ei­ge­nen Be­dürf­nis­sen am bes­ten ent­spricht – sei es für mehr Kom­fort, spe­zi­fi­sche Ge­sund­heits­be­dürf­nis­se oder die freie Arzt­wahl.
 

Gibt es überhaupt Unterschiede zwischen den Krankenversicherern – oder machen die eh alle das Gleiche?

Die ge­setz­li­chen Leis­tun­gen der ob­li­ga­to­ri­schen Grund­ver­si­che­rung sind bei al­len Ver­si­che­rern iden­tisch – sie sind im Kran­ken­ver­si­che­rungs­ge­setz (KVG) klar ge­re­gelt. Un­ab­hän­gig da­von, bei wel­cher Ver­si­che­rung man ver­si­chert ist, be­steht so­mit An­spruch auf die­sel­ben me­di­zi­ni­schen Leis­tun­gen.

Trotz­dem gibt es zwi­schen den Kran­ken­ver­si­che­rern be­deu­ten­de Un­ter­schie­de – et­wa bei den an­ge­bo­te­nen Ver­si­che­rungs­mo­del­len, den di­gi­ta­len Dienst­leis­tun­gen, der Er­reich­bar­keit oder der Qua­li­tät des Kun­den­ser­vices. Ei­ni­ge Ver­si­che­rer set­zen auf in­no­va­ti­ve und ef­fi­zi­en­te Ver­sor­gungs­mo­del­le wie Haus­arzt- oder Tel­med-Va­ri­an­ten, an­de­re bie­ten in­no­va­ti­ve Apps, Ge­sund­heits­be­ra­tung oder per­sön­li­che Be­treu­ung an, was sich in at­trak­ti­ven Prä­mi­en wi­der­spie­gelt.

Die­se Un­ter­schie­de ent­ste­hen durch den Wett­be­werb zwi­schen den Ver­si­che­rern: Sie müs­sen sich im Markt be­haup­ten, ef­fi­zi­ent ar­bei­ten und auf die Be­dürf­nis­se ih­rer Ver­si­cher­ten ein­ge­hen. Das stärkt nicht nur den Ser­vice, son­dern för­dert auch In­no­va­ti­on und die Wei­ter­ent­wick­lung des Ge­sund­heits­sys­tems.

Noch grös­ser sind die Un­ter­schie­de üb­ri­gens im Be­reich der Zu­satz­ver­si­che­run­gen – dort sind die Leis­tun­gen nicht ge­setz­lich vor­ge­schrie­ben, son­dern in­di­vi­du­ell aus­ge­stal­tet. Wie be­reits bei Fra­ge 1 er­wähnt, lohnt sich des­halb ins­be­son­de­re dort ein An­ge­bots­ver­gleich – in­halt­lich wie preis­lich. Wer sich ak­tiv in­for­miert, kann ein Zu­satz­ver­si­che­rungs­an­ge­bot wäh­len, das op­ti­mal zu den ei­ge­nen Be­dürf­nis­sen passt.
 

Zahlen am Ende die Prämienzahlenden für all die Werbung von Krankenversicherern?

Wer­bung und Mar­ke­ting sind not­wen­di­ge Be­stand­tei­le ei­nes wett­be­werb­li­chen Sys­tems. Sie schaf­fen Trans­pa­renz, ma­chen neue An­ge­bo­te sicht­bar und er­mög­li­chen es Ver­si­cher­ten, in­for­mier­te Ent­schei­dun­gen zu tref­fen. Den­noch fal­len die Kos­ten da­für im Ge­samt­sys­tem sehr ge­ring aus: Laut Sta­tis­tik der ob­li­ga­to­ri­schen Kran­ken­ver­si­che­rung mach­ten die Mar­ke­ting­aus­ga­ben im Jahr 2022 nur 0,2 Pro­zent der Prä­mi­en aus – oder knapp 5 Pro­zent der Ver­wal­tungs­kos­ten. Bei kei­ner an­de­ren ver­gleich­ba­ren So­zi­al­ver­si­che­rung (z. B. IV und UV) ist die Ver­wal­tung so güns­tig wie bei den Kran­ken­ver­si­che­rern.

Das liegt dar­an, dass ein funk­tio­nie­ren­der Wett­be­werb nicht nur für Wer­be­aus­ga­ben sorgt, son­dern vor al­lem für mehr Kos­ten­dis­zi­plin. Denn nur wer ef­fi­zi­ent ar­bei­tet, kann wett­be­werbs­fä­hi­ge Prä­mi­en an­bie­ten und da­mit Kun­din­nen und Kun­den über­zeu­gen. Die Ver­si­che­rer ha­ben da­her ein struk­tu­rel­les In­ter­es­se dar­an, sorg­fäl­tig mit den Gel­dern der Ver­si­cher­ten um­zu­ge­hen – sei es bei den Ver­wal­tungs­kos­ten oder im Ma­nage­ment von Ge­sund­heits­leis­tun­gen.

In der Sum­me trägt der Wett­be­werb so­mit da­zu bei, dass das Sys­tem ins­ge­samt wirt­schaft­li­cher funk­tio­niert und die Prä­mi­en­ein­nah­men für Ge­sund­heits­leis­tun­gen und mög­lichst we­nig für die Ver­wal­tungs­kos­ten ver­wen­det wer­den.
 

Wäre es nicht einfacher und günstiger, wenn es nur noch eine einzige Versicherung gäbe?

Der Ge­dan­ke, ei­ne staat­li­che Kran­ken­kas­se könn­te das Sys­tem ver­ein­fa­chen und Kos­ten sen­ken, mag auf den ers­ten Blick at­trak­tiv wir­ken. Doch Mo­no­po­le brin­gen zen­tra­le Ri­si­ken mit sich: feh­len­de An­rei­ze zur Ef­fi­zi­enz, we­ni­ger In­no­va­ti­ons­druck und ein­ge­schränk­te Kun­den­nä­he.

In ei­nem wett­be­werb­li­chen Sys­tem hin­ge­gen ha­ben die Kran­ken­ver­si­che­rer ei­nen An­reiz, ef­fi­zi­ent zu wirt­schaf­ten, gu­te Dienst­leis­tun­gen an­zu­bie­ten und auf die Be­dürf­nis­se der Ver­si­cher­ten ein­zu­ge­hen. Sie müs­sen sich im Markt be­haup­ten und sich kon­ti­nu­ier­lich wei­ter­ent­wi­ckeln – sei es durch neue Ver­sor­gungs­mo­del­le, di­gi­ta­le Ser­vices oder trans­pa­ren­te Kom­mu­ni­ka­ti­on. Das kommt letzt­lich al­len zu­gu­te: den Ver­si­cher­ten, dem Ge­sund­heits­sys­tem und der Prä­mi­en­ent­wick­lung.

Wett­be­werb be­deu­tet nicht nur Wahl­frei­heit, son­dern vor al­lem, dass sich die Kran­ken­ver­si­che­rer an den Be­dürf­nis­sen ih­rer Kun­den ori­en­tie­ren. Und ge­nau das ist die Grund­la­ge für ein mo­der­nes, ef­fi­zi­en­tes und zu­kunfts­fä­hi­ges Ge­sund­heits­sys­tem.
 

Woher weiss ich, dass meine Prämie angemessen ist?

Die Prä­mi­en in der ob­li­ga­to­ri­schen Kran­ken­pfle­ge­ver­si­che­rung ba­sie­ren auf dem So­li­da­ri­täts­prin­zip: In­ner­halb ei­ner Kran­ken­ver­si­che­rung zah­len al­le Ver­si­cher­ten in der­sel­ben Prä­mi­en­re­gi­on und mit dem glei­chen Ver­si­che­rungs­mo­dell die glei­che Prä­mie – un­ab­hän­gig von ih­rem Ge­sund­heits­zu­stand oder der In­an­spruch­nah­me von Leis­tun­gen. Die­ses Prin­zip ist ge­setz­lich ver­an­kert und stellt si­cher, dass nie­mand we­gen ei­ner Krank­heit oder we­gen sei­nes Al­ters be­nach­tei­ligt wird.

Da­mit die Prä­mi­en an­ge­mes­sen sind – al­so im Sin­ne der meis­ten Ver­si­cher­ten nicht zu hoch aus­fal­len –, grei­fen meh­re­re Me­cha­nis­men in­ein­an­der: Ei­ner­seits ge­neh­migt das Bun­des­amt für Ge­sund­heit (BAG) al­le Prä­mi­en jähr­lich und über­prüft ih­re An­ge­mes­sen­heit. An­de­rer­seits sorgt der Wett­be­werb zwi­schen den Ver­si­che­rern da­für, dass die­se wirt­schaft­lich ar­bei­ten, um güns­ti­ge Prä­mi­en an­bie­ten und im Markt be­stehen zu kön­nen. Da­zu ge­hört, dass sie ih­re Ver­wal­tungs­kos­ten nied­rig hal­ten, in­no­va­ti­ve Lö­sun­gen ent­wi­ckeln und ge­zielt auf Wirt­schaft­lich­keit ach­ten.

Ein Bei­spiel da­für ist die sys­te­ma­ti­sche Prü­fung von Rech­nun­gen. Kran­ken­ver­si­che­rer kon­trol­lie­ren jähr­lich Mil­lio­nen von Be­le­gen, be­vor sie Leis­tun­gen aus­zah­len. Die­se Kon­trol­le hilft da­bei, Feh­ler, Dop­pel­ab­rech­nun­gen oder un­ge­recht­fer­tig­te Rech­nungs­pos­ten früh­zei­tig zu er­ken­nen und so un­nö­ti­ge Kos­ten zu ver­hin­dern. Auch das ist ein di­rek­ter Ef­fekt des Wett­be­werbs: Die Ver­si­che­rer ha­ben ein kla­res In­ter­es­se dar­an, die fi­nan­zi­el­len In­ter­es­sen ih­rer Ver­si­cher­ten zu wah­ren. Denn un­ge­recht­fer­tig­te Kos­ten wür­den die Prä­mi­en für al­le an­stei­gen las­sen. Jähr­lich kön­nen die Kran­ken­ver­si­che­rer so zwei bis drei Mil­li­ar­den Fran­ken ein­spa­ren.  

Die Kom­bi­na­ti­on aus staat­li­cher Auf­sicht und markt­wirt­schaft­li­chem An­reiz trägt so­mit ent­schei­dend da­zu bei, dass die Prä­mi­en an­ge­mes­sen und nach­voll­zieh­bar blei­ben.
 

Ich bin nicht mehr der Jüngste und Fitteste. Ist der Wettbewerb unter den Krankenversicherern da nicht eher ein Nachteil für mich, weil sich alle nur um die Jungen und Gesunden reissen?

Nein: In der Grund­ver­si­che­rung wird der Wett­be­werb un­ter den Kran­ken­ver­si­che­rern durch ei­nen aus­ge­klü­gel­ten Ri­si­ko­aus­gleich ge­zielt so ge­stal­tet, dass äl­te­re oder chro­nisch kran­ke Men­schen nicht be­nach­tei­ligt wer­den. Der Ri­si­ko­aus­gleich stellt si­cher, dass Kran­ken­ver­si­che­rer, die vie­le Ver­si­cher­te mit er­höh­tem Be­hand­lungs­be­darf ver­si­chern, da­für ent­schä­digt wer­den. Da­mit ent­fällt der An­reiz, ge­zielt ge­sun­de Per­so­nen an­zu­wer­ben.

Der Ri­si­ko­aus­gleich wur­de in den letz­ten Jahr­zehn­ten kon­ti­nu­ier­lich aus­ge­baut und ver­fei­nert. Ne­ben Al­ter und Ge­schlecht flies­sen heu­te auch Fak­to­ren wie Spi­tal­auf­ent­hal­te, Pfle­ge­be­dürf­tig­keit und der Ein­satz be­stimm­ter Me­di­ka­men­te in die Be­rech­nung ein. Da­durch kön­nen kos­ten­in­ten­si­ve chro­ni­sche Er­kran­kun­gen, auch wenn sie am­bu­lant be­han­delt wer­den, dif­fe­ren­ziert be­rück­sich­tigt wer­den. 

Das Ziel ist klar: fai­re Wett­be­werbs­be­din­gun­gen, un­ab­hän­gig von der Ri­si­ko­struk­tur der Ver­si­cher­ten. Der Ri­si­ko­aus­gleich sorgt da­her da­für, dass auch äl­te­re oder chro­nisch kran­ke Men­schen da­von pro­fi­tie­ren, dass Kran­ken­ver­si­che­rer im Wett­be­werb zu bes­se­ren Leis­tun­gen an­ge­spornt wer­den.