Banken

Banken und Versicherer: ungleiche Geschwister des Finanzsektors

Standpunkt
10. Dezember 2025

Banken und Versicherer sind zwar ein wichtiger Teil des Finanzsektors, nehmen jedoch sehr unterschiedliche volkswirtschaftliche Aufgaben wahr. Es wäre daher falsch, sie in Regulierungsfragen über einen Kamm zu scheren.

In der Diskussion um die Stabilität des Finanzsektors und des Finanzplatzes Schweiz werden die Versicherer oft direkt «mitgemeint». Das ist naheliegend, aber falsch. Denn die Versicherungswirtschaft befindet sich in einer grundlegend anderen Ausgangslage als der Bankensektor.

Unterschiedliches Geschäftsmodell

Versicherungsverträge werden überwiegend auf der Basis einer spezifischen Risikoübernahme abgeschlossen. Mit anderen Worten: Der Versicherer gibt gegen Zahlung einer Risikoprämie das Versprechen ab, in Zukunft für vertraglich vereinbarte Schäden aufzukommen. So muss bei den meisten Versicherungen erst ein Schaden – zum Beispiel ein Autounfall – eintreten, damit eine finanzielle Forderung an den Versicherer entsteht.

Nur Lebensversicherungen umfassen in der Regel eine Sparprämie, das heisst, die Gelder der Versicherten werden Jahr für Jahr angesammelt und veranlagt. Diese Versicherungsprodukte weisen jedoch lange Vertragslaufzeiten auf. Ein Wechsel zu einem anderen Anbieter erfordert zudem eine gewisse Vorlaufzeit, insbesondere in der beruflichen Vorsorge. Während bei Banken verunsicherte Sparerinnen und Sparer ihre angelegten Gelder rasch abziehen und damit einen Liquiditätsengpass auslösen können, ist dies bei Versicherern kaum denkbar. Ein «Insurance Run» ist deshalb kein realistisches Szenario.

Absicherungssystem stärkt Risikoresistenz

Dass die Versicherungswirtschaft besonders risikoresistent ist, liegt aber nicht nur an ihrem Geschäftsmodell, sondern auch an einem besonderen privatwirtschaftlichen Absicherungssystem: Rückversicherer fungieren als Versicherer der Versicherer. Ihr Prinzip beruht auf einer globalen und damit sehr breiten Risikostreuung. Sie schützen die Bilanzen der Erstversicherer, dienen ihnen als Kapitalersatz und mildern die Auswirkungen von Grossschadenereignissen.

Risikoadäquate Regulierung

Auch im Versicherungssektor wurden die regulatorischen und aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen nach der Finanzkrise 2008 verschärft. Ein zentrales Element sind dabei die Kapitalanforderungen gemäss dem Swiss Solvency Test (SST). Ziel des SST ist es, die Bilanzen marktkonform zu bewerten und die daraus resultierenden Kapitalanforderungen risikogerecht festzulegen. Mit einer SST-Quote von durchschnittlich 254 Prozent (per 1.1.2024) übertreffen die Privatversicherer die Mindestanforderung deutlich. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA hat zudem Vorschriften zur Anlagetätigkeit der beaufsichtigten Schweizer Versicherungsunternehmen erlassen: Im Gegensatz zu anderen Finanzmarktakteuren sind viele Anlageklassen spezifisch reguliert. Die Regelwerke stellen sicher, dass die Anlagen kurzfristig liquide sein müssen. Dadurch sind den Versicherungsgesellschaften im Anlagemanagement die Hände wesentlich stärker gebunden.

Zudem kann eine allfällige Insolvenz eines Versicherungsunternehmens durch den Regulator geordnet abgewickelt werden. Das revidierte Versicherungsaufsichtsgesetz VAG hat dafür die Grundlagen geschaffen. Eine eigentliche «Too big to fail»-Regel für Versicherer gibt es nicht – und es braucht sie auch nicht.

Einschätzung zu den geplanten Gesetzesanpassungen

Die Schweizer Versicherer spielen zweifellos eine bedeutende Rolle im globalen Wirtschaftssystem. Sie übernehmen Risiken, die Private und Unternehmen nicht selber tragen können. Sie stellen aber aus den genannten Gründen kein systemrelevantes Risiko dar. Ihr langfristig ausgerichtetes Geschäftsmodell und ihre solide Kapitalausstattung sorgen für Stabilität und Widerstandsfähigkeit. Aus regulatorischer Sicht besteht deshalb kein Handlungsbedarf für die Schweizer Privatassekuranz. 

Der Bundesrat hat am 6. Juni 2025 Eckwerte für Gesetzesänderungen festgelegt, um das «Too big to fail»-Dispositiv nach der Credit-Suisse-Krise zu verbessern. Einige der Eckwerte betreffen alle beaufsichtigten Finanzinstitute, einschliesslich der Versicherungsunternehmen. Festzuhalten ist, dass der Auslöser der geplanten Gesetzesänderungen wie bereits 2007/2008 (Zusammenbruch Lehman Brothers) der Niedergang einer Grossbank ist. Weder damals noch diesmal war ein Versicherungsunternehmen Auslöser der Krise.

Die Geschäftstätigkeit der Versicherungsunternehmen und ihre Produkte unterscheiden sich grundlegend von der Tätigkeit der Banken. Dementsprechend gibt es z. B. auch eigenständige Branchengesetze für die Assekuranz. Zusammen mit den bestehenden Aufsichtsinstrumenten des Finanzmarktaufsichtsgesetzes (FINMAG) entfalten diese in ihrer heutigen Fassung einen hohen Kundenschutz und haben sich bewährt. 

Der SVV lehnt daher einen Einbezug der Assekuranz in die geplanten Gesetzesänderungen entschieden ab. Die Credit-Suisse-Krise gibt keinen Anlass, die Regulierung für Versicherungen zu verschärfen – zumal erst gerade kürzlich eine Überarbeitung und Verstärkung der Versicherungsregulierung erfolgt ist. Am 1. Januar 2024 trat eine umfassende Revision des VAG und der Aufsichtsverordnung für private Versicherungsunternehmen (AVO) in Kraft, ergänzt durch verschiedene überarbeitete FINMA-Versicherungsregularien, die seit dem 1. September 2024 gelten. Seit 1. Januar 2022 ist zudem eine grössere Revision des VVG in Kraft. Im Rahmen dieser Revision wurde zudem als Alternative zum Konkursverfahren ein Sanierungsrecht im VAG eingeführt, das auf die Fortführung des jeweiligen Unternehmens ausgerichtet ist.

Als kritisch erachtet der SVV insbesondere die Ausweitung der Informationstätigkeiten der FINMA im Rahmen der Enforce-mentverfahren sowie die pekuniären Verwaltungssanktionen.

Kumulation von Kompetenzen widerspricht bewährter Gewaltentrennung

Die FINMA verfügt bereits heute über ausreichende Instrumente, um die Öffentlichkeit sowohl über ihre Aufsichtstätigkeit und -praxis als Ganzes als auch über einzelne Verfahren zu informieren und rechtskräftige Endverfügungen zu veröffentlichen. Ein akutes Problem oder ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf ist nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund bleibt unklar, weshalb laut Eckwerten des Bundesrates vom 6. Juni 2025 die Kommunikation der FINMA zu einzelnen Verfahren – bislang die Ausnahme, künftig möglicherweise die Regel – so-wie zu Endverfügungen – bislang Kann-Bestimmung, künftig Muss-Bestimmung – ausgeweitet werden soll. Besonders kritisch ist die geplante Ausweitung der Kommunikation zu einzelnen Verfahren zu beurteilen: Sie kann sowohl für den Finanzplatz Schweiz insgesamt als auch für die betroffenen Institute schwerwiegende Folgen haben, ohne dabei einen nachweisbaren Nutzen zu erbringen.

Von pekuniären Verwaltungssanktionen der FINMA ist aus rechtsstaatlichen Gründen zwingend abzusehen: Pekuniäre Verwaltungssanktionen in Höhe von voraussichtlich mehreren Millionen Franken stellen keine Bagatellsanktionen dar. Solche erheblichen Vermögenssanktionen haben strafrechtlichen Charakter. Es ist problematisch, wenn die FINMA neben ihrer Aufsichts- und Regulierungstätigkeit zusätzlich zugleich als Quasi-Strafbehörde tätig würde und in Personalunion von Untersuchungs- und Entscheidungsfunktion Bussen in Millionenhöhe verhängen könnte.

Die FINMA würde zu einer Exekutivbehörde, die gleichzeitig eine judikative Funktion übernimmt. Diese Kumulation von Kompetenzen widerspricht der bewährten Gewaltentrennung in der Schweiz und damit einem unserer Grundprinzipien.

Bei allen Massnahmen ist grundsätzlich die konkrete Ausgestaltung abzuwarten. Der SVV wird den parlamentarischen Prozess eng begleiten.