Ste­ter Ein­satz für gu­te Rah­men­be­din­gun­gen

Interview

Robert Wiest ist CEO des Rückversicherers MS Reinsurance, einer Tochter der japanischen MS&AD Insurance Group. Er sagt, weshalb Zürich ein attraktiver Standort ist und was ihn seit 28 Jahren an der Branche fasziniert. 

Herr Wiest, was macht Zürich für Rückversicherer attraktiv?  

Wesentlich für uns ist der Anschluss an den globalen Finanzplatz. Dazu braucht es für Europa gute Zugverbindungen und den Flughafen für den Rest der Welt. Ebenso sind wir auf einen dynamischen Arbeitsmarkt mit Rekrutierungsmöglichkeiten von Fachkräften aus der Schweiz und Europa angewiesen. Zudem ist eine angepasste Regulierung entscheidend. Das alles bietet Zürich aktuell. 

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Zentral ist die globale Vernetzung? 

Genau. Dies hat mit der Diversifikation des Portfolios zu tun. Das Rückversicherungsgeschäft ist global. Und trotz Videokonferenzen hat die Mobilität nicht an Bedeutung verloren. Sie hat eine neue Dimension erhalten, welche die Effizienz steigert.

Das Reisen bleibt für Ihr Geschäft wichtig? 

Wir verkaufen das Versprechen, in einem grösseren Schadenfall mit unseren finanziellen Mitteln unseren Verpflichtungen nachzukommen. Neben der Finanzstärke gehört Vertrauen zur Grundlage unseres Geschäfts. Das verlangt Beziehungspflege. Videokonferenzen sind in der Kommunikation eine Ergänzung, aber kein Ersatz für ein Treffen. Aber nicht nur der persönliche Kontakt zählt. Auch der Regulierungsrahmen ist für das Vertrauen in unserem Geschäft relevant. 

«Leider beobachten wir weltweit einen Hang zur Überregulierung.»

Inwiefern? 

Die Regulierung, die national geregelt ist, muss nachvollziehbar und transparent sein. Die Regulierungsbehörde muss sie professionell umsetzen, sodass sich alle Unternehmen daranhalten. Das sorgt für Glaubwürdigkeit. Dies schafft eine Vertrauensbasis. Als Schweizer Rückversicherer haben wir heute den Vorteil, dass wir vom Renommee des Landes profitieren. Aber daraus darf man nicht ableiten, dass man immer mehr regulieren muss. 

Besteht diese Gefahr? 

Leider beobachten wir weltweit einen Hang zur Überregulierung. Wir stellen eine sich ständig verringernde Risikobereitschaft fest. Mit dem Ausbau der Regulierung soll das Risiko vermieden werden. Doch das geht schlicht nicht. Das Risiko ist der Kernbereich unseres Geschäfts. Eine Überregulierung gefährdet den Standortvorteil. Sie bringt im Gegenteil einen Wettbewerbsnachteil. Zu viel Regulierung macht das Geschäft komplex und es ist nicht mehr nachvollziehbar. Die Aufsicht muss die Besonderheiten des Geschäftsmodelles der Rückversicherung berücksichtigen, insbesondere die geringere Schutzbedürftigkeit der professionellen Gegenparteien.

Würde Sie eine Verschlechterung der Rahmenbedingungen zu einem Standortwechsel drängen? 

Rückversicherung ist ein langfristiges Geschäft. Wer kurzfristig entscheidet, hat keinen Erfolg. Mit Blick auf die erwähnten Faktoren verschieben wir unser Geschäft nicht leicht. Aber es ist möglich. Allerdings wäre dies die Folge von mehreren Jahren unvorteilhafter Rahmenbedingungen. Sinnvoller ist es, dass wir hier stetig für gute Rahmenbedingungen kämpfen. 

«Wer offen ist, sich mit anderen auseinanderzusetzen und zu akzeptieren, dass man Dinge verschieden sehen kann und zudem eine Affinität für Zahlen hat, ist bei den Rückversicherern am richtigen Platz.» 

Welche Herausforderungen sehen Sie, damit die Schweiz attraktiv bleibt? 

Ein Grossteil der Rückversicherer in der Schweiz ist in der Region Zürich domiziliert, die meisten in der Stadt. Neben den erwähnten Rahmenbedingungen und einer angemessenen Steuergesetzgebung sind entsprechend lokale Bedürfnisse wie Raumverfügbarkeit und ein guter öffentlicher Verkehr relevant. Viele Mitarbeitende pendeln. 

Hat Homeoffice die Bedeutung des Büros verringert? 

Für die Entwicklung einer Firmenkultur ist die Anwesenheit vor Ort entscheidend. Auch die Mitarbeitenden wünschen das. Wir stellen an all unseren Standorten fest: Trotz der Möglichkeit von Homeoffice sind die Mitarbeitenden zwei bis drei Tage im Büro, allein schon wegen der sozialen Kontakte. Kurz: Wir sind auf Fachkräfte vor Ort angewiesen.

Was macht Rückversicherer als Arbeitgeber für die Fachkräfte interessant? 

Wenn ich unsere Bedürfnisse betrachte, ist die Frage vor allem: Für wen sind Rückversicherer interessant? Wir brauchen diverse Teams. Sie sind das wichtigste und effizienteste Risikomanagementwerkzeug. Fünf Menschen betrachten eine Gegebenheit aus fünf unterschiedlichen Blickwinkeln. Das gibt fünf Meinungen und ein relativ gutes Bild, um das Risiko einzuschätzen. Wer offen ist, sich mit anderen auseinanderzusetzen und zu akzeptieren, dass man Dinge verschieden sehen kann und zudem eine Affinität für Zahlen hat, ist bei den Rückversicherern am richtigen Platz. 

«Wir agieren tagtäglich mit der ganzen Welt. Das fasziniert mich jeden Tag.» 

Wie haben Sie diesen Platz in der Rückversicherung gefunden? 

Durch Zufall. Ich bin studierter Ingenieur und wurde vor 28 Jahren von einem Headhunter angefragt.

Was reizt Sie heute noch am Geschäft? 

Die Vielfalt der Themen. Wir agieren tagtäglich mit der ganzen Welt. Das interessiert und fasziniert mich jeden Tag.