Re­vi­si­on Auf­sichts­recht: Aus­füh­rungs­be­stim­mun­gen am ge­setz­li­chen Rah­men ori­en­tie­ren

Fokus12. Dezember 2023

Das Versicherungsaufsichtsrecht besteht aus drei Normstufen – dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG), der Aufsichtsverordnung (AVO) sowie den Ausführungsbestimmungen auf Stufe FINMA. Die Revision wird mit der FINMA-Folgeregulierung nunmehr abgeschlossen.

Im Nachgang zur Revision des VAG wurde das nachgelagerte Verordnungsrechts (Aufsichtsverordnung AVO) ebenfalls revidiert. Der Bundesrat hat am 2. Juni 2023 die definitive Fassung der AVO-Änderung verabschiedet und das revidierte VAG/AVO per 1. Januar 2024 in Kraft gesetzt. Im Anschluss an diese Revision werden nunmehr die aus den Delegationsnormen resultierenden Vorgaben auf Stufe FINMA umgesetzt.

Die Totalrevision der Versicherungsaufsichtsverordnung-FINMA (AVO-FINMA) und die Revision einer Reihe von FINMA-Rundschreiben decken unter anderem die folgende Punkte ab:

  • Ausführungen zu technischen Einzelheiten des Schweizer Solvenztests (SST);
  • Reduktion der Bestimmungen zur gebundenen Vermögen und Verzicht auf Praxisausführungen als Konsequenz des neu in VAG und AVO verankerten Prudent Person Principle;
  • Ausführung der Bestimmungen zu den versicherungstechnischen Rückstellungen in der AVO-FINMA;
  • Ausführungen im Bereich der Beispielrechnungen für die Lebensversicherung;
  • Ausführungen im Bereich der Aufsicht über die Versicherungsvermittler;
  • Präzisierung der Aufgaben des verantwortlichen Aktuars und deren Berichterstattung sowie der Aufgaben der neu auf Stufe AVO eingeführten Gruppenaktuarsfunktion sowie deren Berichterstattung.

Der SVV begrüsst, dass durch die vorliegende Folgeregulierung im Nachgang zum VAG und zur AVO nunmehr die Stufengerechtigkeit etabliert werden konnte. Die Ausführungsbestimmungen sowie die FINMA-Praxis haben sich am Sinn und Geist der VAG/AVO-Revision zu orientieren. Dies ist aus Sicht des SVV mehrheitlich gelungen. Allerdings sind in der Vernehmlassungsvorlage auch verschiedene Regulierungsvorschläge enthalten, die nicht im Sinne der VAG/AVO-Revision sind, oder gar einer gesetzlichen Grundlage entbehren:

  • Ausführungen zur Solvenz. Die Regulierung der Kapitalanforderungen wurden durch die Revisionen von VAG und AVO stufengerecht verankert. Die Folgeregulierung auf Stufe FINMA bezieht sich auf Ausführungen zu technischen Einzelheiten. Anpassungen am Schweizer Solvenztest (SST) sind durch die VAG-/AVO-Revision nicht induziert und würden zu einer massiven Praxisänderung und in der Folge komplexen Anpassungen mit nicht abschätzbaren Folgen führen.
  •  Versicherungstechnische Rückstellungen im Bereich Krankenzusatzversicherung. In der vorgeschlagenen Fassung unterstellt Art. 53 Abs. 1 E-AVO-FINMA, dass versicherungstechnische Rückstellungen grundsätzlich von den Versicherten finanziert werden bzw. wurden. Dies ist jedoch nicht immer der Fall. Werden die Rückstellungen teilweise oder vollumfänglich aus Eigenmitteln des Versicherungsunternehmens finanziert, ist eine Auflösung dieses Teils der Rückstellungen zu Gunsten der Versicherten nicht sachgemäss.
  • Gebundenes Vermögen. Ein wesentlicher Teil der Anpassungen der Bestimmungen bezüglich des gebundenen Vermögens (Art. 60 ff.) steht aus Sicht des SVV in erheblichem Masse im Widerspruch zum postulierten Prudent Person Principle. Das zeigt sich exemplarisch in der Absicht der FINMA, spezifische Limits für Securities Lending und Repo-Geschäfte (Art. 74) einzuführen, die sogar strikter sind als die bestehenden Vorschriften und den Handlungsspielraum, besonders in Krisenzeiten, übermässig und gefährlich einschränken.
  • Lebensversicherung. Mit der Einführung der Art. 85 – 88 E-AVO-FINMA erweitert die FINMA die Anforderungen an die Beispielrechnungen auf nicht-qualifizierten Lebensversicherungen. Aus Sicht des SVV ist eine substanzielle Überarbeitung angezeigt, da für eine solche Erweiterung die gesetzliche Grundlage fehlt. Den Hintergrund der diversen Anpassungsvorschläge bilden fehlende Rechtsgrundlagen, mangelnde Praktikabilität sowie Redundanzen. Die mangelnde Praktikabilität gilt insbesondere für die in mehreren Randziffern des Rundschreibens «Lebensversicherung» berücksichtigte Differenzierung zwischen Abschluss- und Verwaltungskosten (Rz 8, 69, 70 und 85).
  • Verantwortlicher Aktuar. Mit Art. 80 Abs. 2 E-AVO-FINMA würden dem verantwortlichen Aktuar oder der verantwortlichen Aktuarin zusätzliche Aufgaben resp. Verantwortlichkeiten zugewiesen werden, die über den Aufgabenkatalog in Art. 24 VAG hinausgehen. Eine entsprechende Erweiterung der Aufgaben war seitens des Gesetzgebers jedoch keinesfalls beabsichtigt. Folgerichtig ist auch der Inhalt des Berichts des verantwortlichen Aktuars oder der verantwortlichen Aktuarin auf den durch das VAG definierten Verantwortungsbereich zu fokussieren.

Ein Austausch zwischen FINMA und Branche ist auf Basis dieser umfangreichen Kritikpunkte angezeigt. Die Ausführungsbestimmungen und die Aufsichtspraxis müssen sich am durch VAG und AVO vorgegebenen Rahmen orientieren.