Fi­nanz­markt­po­li­tik: die Stoss­rich­tung stimmt

FokusArchive16. November 2017

Der SVV hat die Berichte der Expertengruppe Brunetti zur Weiterentwicklung der Finanzmarktstrategie und des Bundesrats zur Finanzmarktpolitik mit Befriedigung zur Kenntnis genommen. Zusätzlichen Handlungsbedarf sieht er vor allem bei der Strategie im Zusammenhang mit dem Brexit und bei der Anpassung der Schweiz an internationale Standards.

Ende 2014 präsentierte die vom Bundesrat beauftragte Expertengruppe Brunetti einen Bericht mit detaillierten Vorschlägen für die Weiterentwicklung der Finanzmarktstrategie. Der Schweizerische Versicherungsverband SVV nahm diesen mit Befriedigung zur Kenntnis. Vielversprechend darin ist v.a. der empfohlene partizipative Ansatz, Marktteilnehmer und Wissenschaft systematisch und frühzeitig in die Finanzmarktregulierung einzubeziehen.

Damit die Regulierung wirkungsorientiert bleibt, braucht es neben der grundsätzlichen Beurteilung des Regulierungsbedarfs auch Analysen und eine sorgfältige Abschätzung der Regulierungsfolgen – und zwar bereits frühzeitig. Beim Vollzug der Regulierung bedarf es dann transparenter Richtlinien für die Kommunikation der Finanzmarktaufsicht.

Erweiterter Marktzugang erst bei «Level Playing Field» mit der EU

Das langfristige Ziel eines erweiterten Marktzutritts für die Finanzdienstleister erachtet der SVV als sinnvoll. Um es zu erreichen, muss sich die Schweiz an internationalen Standards orientieren und in internationalen Gremien der Finanzmarktregulierung mitwirken. Marktzutritt und internationale Wettbewerbsfähigkeit setzen voraus, dass die Schweizer Finanzmarktregulierung und -aufsicht gleichwertig ist wie jene in der Europäischen Union EU. Die EU hat inzwischen zwar die Gleichwertigkeit der Schweizer Finanzmarktregulierung und -aufsicht im Versicherungsbereich anerkannt, aber ein echtes «Level Playing Field» gibt es noch nicht.

Zahlreiche Vorschriften sind in der Schweiz strenger als in der EU, vor allem bezüglich Kapitalanforderungen. Das reduziert die Wettbewerbsfähigkeit schweizerischer Versicherungsunternehmen, was sich wiederum negativ auf den Kundenschutz auswirkt – und damit auf ein primäres strategisches Ziel der Finma. Eine Marktöffnung ist für den SVV erst bei gleich langen Spiessen denkbar.

Versicherer weiterhin nicht systemrelevant

Bezüglich der Problematik «Too big to fail» überzeugen im Bericht die Analyse und die vorgeschlagenen Massnahmen im Bankensektor. Die Systemrelevanz der Versicherer wurde nur summarisch geprüft. Trotzdem sind die Erkenntnisse nach Ansicht des SVV richtig: Es gibt keine national systemrelevanten Versicherer – und daher auch keinen Handlungsbedarf im Versicherungssektor hinsichtlich Risiken für die Finanzstabilität.

Institutionalisierten Dialog erweitern und verstärken

Aus Sicht des SVV braucht es auch künftig Gremien, die sich mit strategischen und regulatorischen Fragen zur Weiterentwicklung des Finanzmarkts befassen. Die Privatversicherer unterstützen deshalb den Entscheid des Bundesrates, die bestehende Expertengruppe als beratendes Gremium in Strategiefragen weiterzuführen und das Forum Finanzmarktpolitik zu einer Koordinationsstelle des institutionalisierten Dialogs zwischen Behörden, Marktteilnehmern und Wissenschaft aufzuwerten. Das Forum soll sich vor allem mit nationalen und internationalen Regulierungsfragen befassen.

Innovation ermöglichen

Der SVV hat auch den Bericht des Bundesrates zur Finanzmarktpolitik für einen wettbewerbsfähigen Finanzplatz Schweiz vom Oktober 2016 begrüsst. Die im Bericht aufgezeigten Stossrichtungen der Finanzmarktpolitik sind aus Sicht des SVV richtig, wobei nicht alle die gleiche Bedeutung für die Branche haben. Für diese stehen die Wahrung und Verbesserung des Marktzutrittes – vor allem ausserhalb Europas –, das Optimieren der Regulierungsinhalte und -prozesse sowie das Ermöglichen von Innovationen im Vordergrund. Entscheidend ist natürlich, dass die aufgeführten Massnahmen auch tatsächlich in nützlicher Frist umgesetzt werden.

Brexit-Strategie mit Finanzbranche umsetzen

Grossbritannien ist für die Schweizer Assekuranz und die andern Finanzakteure ein wichtiger Markt. Der Brexit darf deshalb zu keinerlei Rechtsunsicherheiten und -lücken im Verhältnis zwischen der Schweiz und Grossbritannien führen. Die Schweizer Assekuranz möchte zumindest die bestehenden Freiheiten bewahren: Niederlassungsfreiheit aufgrund des Versicherungsabkommens, EU-Pass für Rückversicherer aufgrund der Äquivalenz SST–Solvency II, Personenfreizügigkeit zumindest im Bereich der Fachkräfte. Damit die Freiheiten bestehen bleiben, gibt es drei Wege:

  • Der heutige EU-Standard bleibt für Grossbritannien und damit auch für die Schweiz unverändert.

  • Die Schweiz schliesst mit Grossbritannien ein allgemeines Freihandelsabkommen.

  • Die Schweiz schliesst mit Grossbritannien eine Art Finanzdienstleistungsabkommen.

Es ist wichtig, dass der Bund seine «Mind-the-gap»-Strategie unter Einbezug der Finanzbranchen umsetzt.